Auswirkungen von Covid-19 auf den Weinsektor
Weltweit erste Untersuchung zu globalen Auswirkungen von Covid-19 auf den Weinsektor
Interview mit Frau Prof. Dr. Simone Loose, Leiterin des Instituts für Wein- und Getränkewirtschaft, Hochschule Geisenheim University.
Professorin Loose hat im aktuellen ProWein Business Report die weltweit erste Untersuchung vorgestellt, die die globalen Auswirkungen von Covid-19 auf die verschiedenen Bereiche des Weinsektors quantifiziert und die Erwartungen für die notwendige zukünftige Ausrichtung der Weinbranche misst. Die DWA hat aus diesem Anlass einige Aspekte nachgefragt.
DWA: Ende Oktober fand eine Anhörung vor dem Europäischen Parlament statt, um die Auswirkungen von COVID-19 auf die Weinwirtschaft zu erörtern. Die europäischen Weinrepräsentanten (CEEV) schätzten nach der ersten Corona-Welle einen Rückgang des Weltweinhandels um 15 %. Muss nach den inzwischen vorliegenden Erkenntnissen mit noch einer stärkeren Reduktion gerechnet werden?
Loose: Aus meiner Sicht sind die Schätzungen des CEEV nach wie vor zutreffend. Bisher fehlt noch eine genaue und umfangreiche statistische Analyse, die alle Exportländer umfasst. Aus der aktuellen Befragung zum ProWein Business Report mit dem Sonderthema COVID-19 wissen wir vor allem aus Spanien und Frankreich von sehr starken Rückgängen im Export. Dagegen sind Italien und auch Deutschland etwas weniger stark betroffen. Vor allem in den touristischen Regionen des Mittelmeerraums kam es zu einem signifikanten Rückgang in der Weinnachfrage durch die wegen COVID-19 ausbleibenden nationalen und internationalen Touristen. Insgesamt hat die EU im Sommer 2020 Stützungsmaßnahmen des Weinmarktes für die Destillation oder Einlagerung von ca. 10 Mio. hl Wein beschlossen, die den Markt entlasten sollen. Damit konnte in Frankreich, Spanien aber auch Österreich Platz für die neue 2020er Ernte geschaffen werden. Das enorme Ausmaß dieser Stützung wird deutlich, wenn man bedenkt, dass dies mehr als eine durchschnittliche deutsche Weinernte umfasst. Für 2021 gehen die für den ProWein Business Report befragten Experten nur von einer langsamen Erholung der Weinexporte aus. Die Lage auf den Weltweinmärkten wird also auch weiter angespannt bleiben und manche Experten gehen bereits von einem längerfristigen strukturellen Überangebot aus, wenn die negativen wirtschaftlichen Folgen der Pandemie zu einem zusätzlichen Rückgang der Weinnachfrage führen werden.
DWA: Uns interessiert in besonderer Weise, welche Auswirkungen COVID auf das Einkauf- und Konsumverhalten der deutschen Verbraucher im Vergleich zu unseren Nachbarstaaten hat. Welche Erkenntnisse gibt es dazu inzwischen? Vielleicht erklären Sie uns zuerst die Methodik der Erhebung.
Loose: Gemeinsam mit einer großen internationalen Forschergruppe haben wir im Mai, am Ende des lockdowns, in vielen Ländern repräsentative Befragungen von Konsumenten durchgeführt, wie sich ihr Weinverhalten durch COVID geändert hat. Die Ergebnisse verschiedener Studien von mehreren Wissenschaftlern zeigen hier große Übereinstimmungen in mehreren Ländern. Zum einen sehen wir, dass Seltenkonsumenten, die nur zu bestimmten Anlässen Wein trinken, mangels Konsumanlässen im lockdown weniger Wein getrunken haben. Gleichzeitig konnten wir beobachten, dass Konsumenten mit häufigerem Konsum, z.B. mindestens einmal die Woche, während des lockdowns ihre Trinkhäufigkeit gesteigert haben. Es fand somit eine Polarisierung im Weinkonsum statt.
Für die Steigerung des Weinkonsums gab es mehrere Gründe gleichzeitig. Zum einen hatten weininvolvierte Konsumenten plötzlich mehr Zeit, sich ihrem Interesse und Hobby zu widmen. Weingenießer konnten auf einmal besondere Weine suchen und kaufen, sie hatten mangels anderer sozialer Aktivitäten Zeit, an den Onlineverkostungen vieler Winzer teilzunehmen und dann auch Weine zu bestellen. Durch Home-Office und fehlende soziale Verpflichtungen außer Haus haben viele Menschen deutlich öfter zu Hause gekocht und gegessen. Dazu wurde dann auch öfter Wein genossen. Anekdotisch haben wir gehört, dass Verbraucher mehr und öfter Wein trinken konnten, weil sie anschließend nicht wie sonst Auto fahren mussten. Neben dieser zusätzlichen verfügbaren Zeit für das Ausleben des Weininteresses haben die internationalen Befragungen übereinstimmend auch eine Steigerung des angstinduzierten Weinkonsums gemessen. Wein wurde deshalb laut unseren Studienergebnissen auch getrunken, um sich abzulenken oder besser einzuschlafen. Fast jeder Vierte Befragte, der seinen Weinkonsum im lockdown im Frühling gesteigert hat, trank Wein, um sich von Problemen abzulenken. Jeder Fünfte der 27% mit Mehrkonsum hat Wein aus Langweile getrunken und knapp jeder Fünfte, um besser einschlafen zu können. Das ist nicht überraschend, da Forscher weltweit vermehrt Schlafprobleme durch den Lockdown festgestellt haben, u.a. weil Menschen ihre Wohnung weniger verlassen haben, ihr Arbeitsrhythmus gestört war, sie weniger soziale Abwechslung hatten und sie sich weniger bewegt haben. Diese negativen Nebenwirkungen des lockdowns haben sich also auch, wenn auch in eher geringerem Maße, im Weinkonsum der Menschen in Deutschland und in anderen Ländern niedergeschlagen.