Allgemeine Gesundheitsaspekte

Wissenschaftlicher Überblick - Wissenschaftliche Datenlage zum Einfluss von Alkohol / Wein auf die Gesundheit

Über Jahrzehnte zeigt die wissenschaftliche Datenlage sehr konsistent und biologisch plausibel, dass ein moderater Genuss alkoholischer Getränke mit verminderten Risiken für verschiedene Erkrankungen einhergeht. Dennoch fehlen langfristig angelegte Interventionsstudien, um letzte Zweifel auszuräumen. Als Goldstandard gelten hier randomisiert-kontrollierte Studien.

 

Sterblichkeitsrisiko

Der moderate Konsum alkoholischer Getränke kann im Rahmen eines gesunden Lebensstils das Sterblichkeitsrisiko senken. Wer maßvoll trinkt, hat ein geringeres Risiko als jemand der abstinent ist oder sehr viel trinkt. Das hängt in erster Linie mit den günstigen Wirkungen des Alkohols auf die kardiovaskuläre Gesundheit zusammen. So zeigte beispielsweise eine amerikanische Langzeitbeobachtungsstudie, dass das Sterberisiko bei Männern und Frauen mit moderatem Konsum im Vergleich zu gelegentlichen Konsumenten um 26 bzw. 18 Prozent niedriger war.

Während ein oder zwei Gläser als „gut für die Gesundheit“ betrachtet werden können (aktuell erneut durch die GBD-Studie bestätigt), bringen Trinkmengen, die über den empfohlenen Richtwerten liegen, keinen weiteren Nutzen sondern mehr Schaden. So ist das Konsumieren von großen Alkoholmengen in kurzer Zeit (binge drinking) schädlich für die Herzgesundheit und erhöht die Sterblichkeit. Exzessiver Konsum wird mit einer Reihe von langfristigen chronischen Krankheiten in Verbindung gebracht wie kardiovaskulären Problemen, Bluthochdruck, Leberzirrhose, Alkoholabhängigkeit, verschiedenen Krebsformen und alkoholbedingten Hirnschädigungen.

Es kommt jedoch nicht nur auf die Trinkmenge an, sondern vor allem auch auf das Trinkmuster und die Art des konsumierten Getränks. Bei einem Vergleich verschiedener alkoholischer Getränke ging meist der Konsum von Wein und Sekt mit verringerten Risiken im Hinblick auf die Gesamtsterblichkeit und Herzgefäßleiden einher.

Der moderate Konsum von Wein und dessen Genuss zum Essen sind Teil des so genannten mediterranen Trinkmusters, das insbesondere mit diesen positiven Effekten in Verbindung gebracht wird. Eine zunehmende Bedeutung kommt hierbei vermutlich den sekundären Pflanzenstoffen im Wein (Polyphenole) zu. Sie tragen zur Endothelgesundheit der Blutgefäße bei, fangen schädliche freie Radikale ab und haben positiven Einfluss auf die Zusammensetzung des Mikrobioms.

Einer kroatischen Studie zufolge scheint der Wein seine gefäßschützenden Effekte vor allem in den Stunden nach dem Essen zu entfalten.

Ein gesunder Lebensstil wirkt sich günstig auf die Lebenserwartung aus. Zwei große Beobachtungsstudien haben diesbezüglich fünf gesunde Lebensgewohnheiten bei 50-Jährigen ausgemacht: Neben (möglichst lebenslangem) Nicht-Rauchen, einem normalen Körpergewicht, regelmäßiger Bewegung und gesunder Ernährung zählte auch ein maßvoller Weingenuss dazu. Bei einer Kombination aller fünf Faktoren ergaben sich 14 zusätzliche Lebensjahre bei den Frauen und 12 bei den Männern. Darüber hinaus kam es zu weiteren Lebensjahren ohne Krankheiten wie Krebs, Diabetes, Herz- oder Gefäßerkrankungen (bei den Frauen + 10,7, bei den Männern + 7,6). Auch eine neue Auswertung der EPIC-Studie kommt zu dem Schluss, dass die Gesamt- und die Krebssterbewahrscheinlichkeit sinkt, wenn sich der Lebensstil über die Jahre verbessert (um 16 % bzw. 13% über einen Zeitraum von 10 Jahren).

Für Verunsicherung hat vor einiger Zeit eine große Studie gesorgt, die weltweit über Fach- und Publikumsmedien mit Überschriften wie „Verkürzt schon ein Glas Wein das Leben?“ kommuniziert wurde. Der wissenschaftliche Beirat der DWA hat hierzu ausführlich Stellung genommen (s. hier).2

 

Risikofaktor Übergewicht

Übergewicht gilt als ein bedeutender gesundheitlicher Risikofaktor. Es geht mit einer erhöhten Rate für arteriosklerotische Folgeerkrankungen wie Herzinfarkt und Schlaganfall einher. Auch Gallenstein- und Venenleiden, Gicht, Herzinsuffizienz, degenerative Gelenkerkrankungen und bestimmte Krebsformen wie Darm- und Brustkrebs werden mit Übergewicht in Verbindung gebracht. 

Als Ursache wird neben anderen Lebensstilfaktoren auch auf den „zu hohen Alkoholkonsum“ verwiesen. Da Alkohol mit 7 kcal/g eine höhere Energiedichte besitzt als Eiweiß und Kohlenhydrate mit jeweils 4 kcal/g, gilt der Genuss alkoholischer Getränke als ein Risikofaktor für Übergewicht.

Obwohl seit Jahren der Konsum alkoholischer Getränke in unseren Landen rückläufig ist, wird er immer wieder für die Zunahme von Übergewicht in unserer Gesellschaft mitverantwortlich gemacht. Umgekehrt wird zur Prävention und Therapie empfohlen, den Genuss solcher Getränke einzuschränken. Das steht jedoch konträr zu den Ergebnissen der epidemiologischen Forschung: Tatsächlich findet sich in den vorliegenden Studien mehrheitlich kein einheitlicher Zusammenhang zwischen der Höhe des Konsums alkoholischer Getränke und dem Ausmaß von Übergewicht. Das bestätigt eine amerikanische Studie, bei der eine Untergruppe von knapp 15.000 Männern aus der großen Health Professionals Follow-up Studie (HPFS) untersucht wurde. Durch den Mehrkonsum eines Glases Wein in einem Zeitraum von vier Jahren kam es in keiner Gewichtsklasse und auch in keiner Altersgruppe zu einer signifikanten Gewichtszunahme.

Unberücksichtigt blieb in der wissenschaftlichen Diskussion bislang, dass auch das Trinkmuster und die Art der bevorzugten Getränke eine Rolle bei der Gewichtszunahme spielen. Eine amerikanische Beobachtungsstudie mit Daten von 4.355 Probanden (CARDIA-Studie) zeigt, dass Frauen, die ihren Konsum an Wein beibehielten und den an Spirituosen und Mixgetränken verringerten, über einen Zeitraum von 25 Jahren weniger als „Abstinente“ an Gewicht zulegten. Die in der Studie gemessenen Effekte sind allerdings gering, sodass es noch weiterer Untersuchungen bedarf, wie sich Trinkmuster und Art der Getränke auf die Gewichtsentwicklung auswirken.

Eine weitere amerikanische Studie untersuchte anhand der Daten einer multiethnischen Querschnittsstudie (MESA) Zusammenhänge zwischen dem Konsum alkoholischer Getränke und dem Volumen diverser Fettdepots im Körper: Im Vergleich zu lebenslanger Abstinenz fanden sich bei leichtem bis moderatem Verzehr die geringsten ektopen Fettdepots (Fettablagerungen außerhalb des Fettgewebes, in / an Organen), insbesondere in Herz und Leber. Auch ging ein mäßiger Konsum mit geringerem Unterhautfett und einem niedrigeren Body Mass Index einher. Dabei schnitt unter den alkoholischen Getränken der (leichte bis moderate) Genuss von Wein jeweils am besten ab.3

 

Risikofaktor Nierenerkrankungen

Nierenerkrankungen haben eine Reihe von Gemeinsamkeiten mit koronaren Herzkrankheiten. Menschen, die moderate Mengen alkoholischer Getränke konsumieren, weisen seltener Herzerkrankungen auf als Abstinente und Vieltrinker. Ob ein moderater Genuss möglicherweise auch vor Nierenleiden schützt, überprüften amerikanische Forscher anhand von Daten aus der ARIC-Studie, einer großen Beobachtungsstudie mit über 12.000 Männern und Frauen. Es zeigte sich, dass die Konsumenten alkoholischer Getränke im Vergleich zu lebenslang Abstinenten ein um 12 bis 29% verringertes Risiko für chronische Nierenleiden aufwiesen. Am geringsten fiel das Risiko bei einem Konsum von 8 bis 14 Drinks pro Woche aus, was einem moderaten Konsum entspricht (als Standarddrink galt z. B. ein Glas Wein mit etwa 120 ml).   

Wurden die Teilnehmer mit dem geringsten Konsum (bis zu einem Drink pro Woche) als Vergleichsgruppe gewählt, schnitt wiederum die Gruppe mit einem durchschnittlichen Konsum von 8 bis 14 Drinks pro Woche am besten ab. Das Risiko unter Abstinenten und früheren Konsumenten war dagegen um rund 14% erhöht. Damit kann ein „Sick Quitter Effekt“ ausgeschlossen werden. Diesen führen Kritiker häufig an und behaupten, moderate Konsumenten schnitten nur deshalb gut ab, weil unter den Abstinenten viele seien, die aufgrund einer Krankheit keine alkoholischen Getränke mehr zu sich nehmen.

Die Berechnungen unter allen Konsumenten alkoholischer Getränke bestätigten zudem einmal mehr die aus anderen Zusammenhängen bekannte J-förmige Beziehung, die bei leichtem bis moderatem Genuss Vorteile findet, aber weder bei Abstinenz noch bei hohem Konsum.4

 

Risikofaktor Gicht

Die Gicht ist die häufigste entzündliche Gelenkkrankheit und kann sehr schmerzhaft sein. Neben einer genetischen Veranlagung und purinreicher Ernährung gilt der Konsum alkoholischer Getränke als ein Risikofaktor. Bisherige (Beobachtungs-)Studien unterscheiden jedoch nicht zwischen Männern und Frauen und auch nicht zwischen verschiedenen Getränken und Trinkmustern. Dabei erkranken Frauen sehr viel seltener an Gicht als Männer. 

Ein chinesisches Forscherteam hat nun anhand der Daten der UK-Biobank-Studie (mit rund einer halben Million Erwachsenen) Männer und Frauen getrennt betrachtet. Nach Berücksichtigung verschiedener Einflüsse (z.B. Alter, Body Mass Index, Ernährung) zeigte sich, dass das Gichtrisiko bei Männern, die alkoholische Getränke konsumieren, signifikant höher ist als bei lebenslang Abstinenten (+57%) und höher als bei ehemaligen Konsumenten. Im Gegensatz dazu fanden sich bei den Frauen keine Unterschiede zwischen den Gruppen. Eine noch stärkere Aussagekraft bekamen diese Daten als die Autoren Personen von der Analyse ausschlossen, die die Ergebnisse hätten verzerren können (z.B. sogenannte „Sick Quitters“): Es fand sich ein signifikant erhöhtes Gichtrisiko bei männlichen Konsumenten und kein Risiko bei den Frauen.

Allerdings scheinen auch das Trinkmuster und die Art der Getränke eine Rolle zu spielen. Denn bei moderaten Konsummengen (d.h. bis zu 6 Gläser pro Woche) wiesen auch die Männer kein erhöhtes Gichtrisiko auf - wenn sie von Bier und Cider Abstand nahmen. Bei den Frauen blieb das Risiko unverändert niedrig, sofern sie Wein oder Sekt genossen. Am günstigsten erwies sich bei diesen der Rotwein, was auf die entzündungshemmenden Weinbegleitstoffe wie die Polyphenole zurückzuführen sein könnte. Ob dem so ist, müssen nun weitere Studien zeigen.5

 

(1) Quellen: Wissenschaftliche Datenlage

Mukamal KJ et al.
Alcohol Clin Exp Res 2016

(2) Quellen: Sterblichkeitsrisiko

Matta K et al.
BMC Med 2024

Tian Y et al.
BMC Med 2023

GBD 2020 Alcohol Collaborators
Lancet 2022

Schaefer SM et al.
Br J Nutr 2022

John U et al.
PLoS Medicine 2021

Di Castelnuovo A et al.
Addiction 2021

Morales G et al.
Eur J Nutr 2020

Schutte R et al.
Clin Nutr 2020

Li Y et al.
BMJ 2020

Keyes KM et al.
Alcohol Clin Exp Res 2019

Bonaccio M et al.
Br J Nutr 2018

Li Y et al.
Circulation 2018 

Colpani V et al. 
Eur J Epidemiol 2018

Bell S et al.
BMJ 2017

Boban M et al.
Food Funct 2016

Knott CS et al.
BMJ 2015

Odegaard AO et al.
Journal of Nutrition 2015

Behrens G et al. 
Eur J Epidemiol 2011

Brien SE et al. 
Ronksley PE et al. 
BMJ 2011

Sun Q et al. 
PLoS Med 2011

Inoue M et al. 
J Epidemiol Community Health 2010

Trichopoulous A et al. 
BMJ 2009

Pedersen JØ et al. 
European Heart Journal 2008

Klatsky AL et al. 
Ann Epidemiol 2007

Di Castelnuovo A et al. 
Arch Intern Med. 2006

Mukamal KJ et al. 
Arch Intern Med 2006

(3) Quellen: Übergewicht

Kazibwe R et al.
J Am Heart Assoc 2023

Butler JL et al.
PLoS ONE 2023

Downer MK et al.
Obesity 2017

Sayon-Orea C et al. 
Nutr Rev 2011

Wang L et al. 
Arch Intern Med 2010

Sieri S et al. 
Europ J Clin Nutr 2009

Beulens JWJ et al. 
Eur J Clin Nutr 2008

Tolstrup JS et al. 
Am J Clin Nutr 2008

Tolstrup JS et al. 
Int J Obes Relat Metab Disord 2005

Flechtner-Mors M et al. 
Int J Obes 2004

Wannamethee SG et al. 
 Obes Res 2004

Vadstrup ES et al. 
Int J Obes Relat Metab Disord 2003

Cordain L et al.
J Am Coll Nutr 1997

(4) Quellen: Nierenerkrankungen

Wang J et al.
Eur J Gastroenterol Hepatol 2017

(5) Quellen: Gicht

Lyu JQ et al
JAMA Netw Open 2024

Erstellt am
Wissenschaftlicher Überblick Allgemeine Gesundheitsaspekte