Wissenschaftlicher Überblick zum Alkoholmetabolismus
Alkoholmetabolismus
Alkohol (eigentlich Ethylalkohol oder Ethanol) ist eine natürlich vorkommende Substanz, die unser Körper kennt und verstoffwechseln kann. Lange bevor die Menschen die alkoholische Gärung beherrschten, nahmen sie diesen über vergorene Früchte auf.
Ein kleiner Teil des Alkohols gelangt bei dessen Genuss bereits über die Mund- und die Magenschleimhaut ins Blut, der größte Teil wird jedoch im oberen Dünndarm resorbiert. Über das Blut wird er dann zur Leber transportiert, wo sofort der Abbau beginnt. Dazu dient ein System aus zwei Enzymen, der Alkohol-Dehydrogenase (ADH) und der Acetaldehyd-Dehydrogenase (ALDH).
Das erste Enzym (ADH) startet mit dem Umbau von Alkohol in Acetaldehyd, einer für den Menschen sehr schädlichen Substanz. Das zweite Enzym (ALDH) wandelt dieses Abbauprodukt anschließend sehr schnell in Essigsäure um, ein normales Stoffwechselzwischenprodukt, das auch in großen Mengen beim Abbau anderer Nährstoffe entsteht. Diese wird dann entweder direkt zur Energiegewinnung (Endprodukte CO2 und H2O) oder zum Aufbau von Fetten herangezogen.
Auf diesem Weg ist ein Abbau von 0,1 bis 0,15 Promille pro Stunde möglich. Steigt jedoch bei Alkoholmissbrauch die Blut-Alkohol-Konzentration (BAK) über einen kritischen Wert von etwa 0,8 Promille an, wird das ADH-Enzymsystem überfordert. Um einer Alkoholvergiftung entgegenzuwirken, kommt in der Folge ein weiteres Enzymsystem zum Tragen, eine Art „Notstrom-Aggregat“. Dies ermöglicht in solchen Fällen einen zusätzlichen, schnelleren Abbau: das MEOS-System (Mikrosomales Ethanol-Oxidierendes System). Es arbeitet mit einer mehr als doppelten Abbaurate sehr effektiv. Das Gefährliche daran ist aber, dass lawinenartig viele freie Radikale entstehen, die die Zellstrukturen schädigen (DNA, Zellwände etc.) und auf Dauer die bekannten Langzeitfolgen des Alkoholmissbrauchs hervorrufen. Das MEOS-System ist daher auf zellulärer Ebene der Hauptgrund für die alkoholbedingten Schäden an der Leber und allen anderen Organen.
Genetisch bedingt kann es bei einigen Menschen zu einem unterschiedlich schnellen Alkoholabbau kommen. So liegt z.B. bei rund 40% der Asiaten eine Punktmutation auf dem ALDH-Gen (ALDH-1, -2) vor, was bedeutet, dass das Enzym ALDH sehr langsam arbeitet (s. Abb. 1). Dadurch kommt es zu einem Rückstau und einer Anreicherung des gefährlichen Acetaldehyd, zuerst in der Leber, dann im Blut. Die Betroffenen leiden nach dem Konsum alkoholischer Getränke unter Herzrasen, einem roten Gesicht und Übelkeit (sog. „Flush-Symptome“). Bei einigen dieser Bevölkerungsgruppen liegt zusätzlich eine Punktmutation auf dem ADH-Gen (ADH-1, -2, -3) vor, die dazu führt, dass Alkohol sehr schnell zu Acetaldehyd abgebaut wird. Die hohe Produktion und gleichzeitig mangelhafte Weiterverarbeitung führen dann zu erheblichen Mengen dieser schädlichen Substanz (und zu ausgeprägten Flush-Symptomen nach nur wenigen Schluck Alkohol). Diese Menschen sollten daher auf den Genuss alkoholischer Getränke verzichten.
Abb. 1 „Asiatische” Enzymvariante 1 beim Alkoholabbau
Der biologisch umgekehrte Fall liegt in breiten Bevölkerungsschichten Osteuropas vor. Hier finden sich vermehrt – wiederum genetisch bedingt – die sehr leistungsstarken ADH- und ALDH-Varianten, die den Alkohol und sein schädliches Abbauprodukt Acetaldehyd schneller verstoffwechseln (s. Abb. 2). Diese Menschen sind dadurch weniger schnell betrunken, was jedoch nicht vor Schäden bei Alkoholmissbrauch schützt. Darüber hinaus scheint es eine Verbindung zu geben zwischen den Enzymvarianten und dem Risiko für eine Suchterkrankung: Je alkoholsensitiver (Asien), desto geringer das Suchtrisiko und umgekehrt (Osteuropa).
Abb. 2 Leistungsstarke ADH-Ausstattung / Muster