Gesellschafts-
politische ASPEKTE

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Bundestag

Cannabis- statt Haushaltsdebatte

(Stand November 2024)

Aus bekannten Gründen (Bruch der Ampelregierung) beschloss der Bundestag am Freitag, den 15. November die vorgesehene Haushaltsdebatte zu streichen und lediglich auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion eine aktuelle Stunde Auswirkungen auf die innere Sicherheit ernst nehmen – Cannabislegalisierung aufheben durchzuführen. In dieser Aussprache ging es hoch her, vielleicht aus Frust darüber, dass man sich nicht bei dem wichtigeren Haushaltsthema fetzen konnte. Vielleicht aber auch aus rein sachlichen Gründen. Hier einige Ausschnitte aus der Debatte: 

Dr. Kirsten Kappert-Gonther (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Dass die Union ein seltsam obsessives Verhältnis zum Thema Cannabis hat, das beobachten wir ja schon länger,

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

Vielleicht nur noch getoppt, wenn es ums Gendern geht. Glauben Sie wirklich, dass ein einziges Problem in diesem Land gelöst würde, wenn Sie Kiffer wieder kriminalisieren? Das ist nicht der Fall, und das wird auch nicht geschehen. […] Die Union beklagt, dass unsere Sicherheit in Gefahr ist. Wir sagen: Sicherheit ist wichtig. Wie steht es denn um die Sicherheit rund um Alkohol? Verkehrstote, häusliche Gewalt, Unfälle: Alkohol ist ein ernsthaftes Sicherheitsrisiko.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Zuruf der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])

Treten wir doch gemeinsam ein für mehr Prävention! Machen wir doch Schluss mit Alkoholwerbung und betreutem Trinken in viel zu jungen Jahren!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Heike Baehrens [SPD]: Jawohl!)

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach verteidigte natürlich auch das Cannabisgesetz, ohne einen Vergleich mit Alkohol zu gebrauchen. Das erledigten für ihn andere, zum Beispiel: 

Thomas Lutze (SPD): […] Nein, im Gegensatz zu Alkohol und Tabak kann man Cannabisprodukte nicht an jeder Ecke kaufen, und auch der Konsum ist stark reguliert. Also lassen Sie dieses neue Gesetz bitte erst mal zwei bis drei Jahre wirken.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Auf keinen Fall! Definitiv nicht!)

Denn das ist der Zeitraum, in dem man abschätzen kann, ob man etwas korrigieren muss, ob man etwas ergänzen muss oder ob sich etwas nicht bewährt hat. […] Als Verkehrspolitiker war für mich die Frage der Fahrtauglichkeit bei Cannabiskonsum sehr spannend. Trotz meiner Zustimmung zum Gesetz bleibe ich sehr skeptisch, was die Grenzwerte angeht und die Frage, ob sie wirksam sind. Seit 2009 setze ich mich hier im Bundestag dafür ein, dass das Fahren eines Fahrzeuges zu 100 Prozent frei von Suchtmitteln sein muss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf vom BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Finde ich sehr gut!)

Bei Verkehrsunfällen sterben in Deutschland jedes Jahr knapp 3 000 Menschen; über 20 000 Menschen werden schwer verletzt. Unsere Aufgabe als Gesetzgeber ist es, die Menschen vor Schaden zu schützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Kirsten Kappert-Gonther [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Und dazu gehört auch, dass neben Drogen Alkohol nichts im Straßenverkehr zu suchen hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Lachen bei der AfD)

Da machen Sie als Union aber nicht mit. Das ist alles andere als konsequent und geradlinig. Saufen ist legal, Kiffen ist kriminell – das ist die Union 2024.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Linke)

Dirk Heidenblut (SPD): Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fünf Minuten sind echt knapp, um all das auszuräumen, was hier gerade an Realitätsferne in die Welt gesetzt wurde. […] Um das als Drogen- und Suchtpolitiker noch mal zu sagen: Alkohol ist die weitaus gefährlichere Droge.

(Dorothee Bär [CDU/CSU]: Weil das eine schlecht ist, müssen wir das andere legalisieren, oder was? – Tino Sorge [CDU/CSU]: Gerade deshalb sollten wir doch nicht noch eine weitere Droge legalisieren!)

Wir sollten gemeinsam alles dafür tun, diese Droge zurückzudrängen, und uns nicht mit Schnapspinneken und Bierflaschen vor die Kamera stellen. Das gehört im Wahlkampf vielleicht mal abgeschafft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Silke Launert [CDU/CSU]: Sie sind völlig verblendet! Völlig verblendet!

Kommentar: Na, da können wir uns aber auf den bevorstehenden Wahlkampf freuen! Vielleicht sollten wir nicht nur Wine in Moderation, sondern auch Wahlkampf in Moderation empfehlen! 

 

Quelle: https://dserver.bundestag.de/btp/20/20201.pdf (aufgerufen am 18.11.2024)

RN/19.11.2024

Alkoholpolitisches aus dem Deutschen Bundestag

(Stand September 2024)

Der Abgeordnete Albert Stegemann (CDU/CSU) hatte die Bundesregierung schriftlich gefragt: „Plant die Bundesregierung die Einführung eines verpflichtenden Warnhinweises auf alkoholischen Getränken hinsichtlich der Folgen des Konsums während der Schwangerschaft, und wie viele neu geborene Kinder sind nach Kenntnis der Bundesregierung vom FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder) betroffen (bitte einerseits im Einzelnen für die Jahre 2020 bis 2024 auflisten sowie andererseits – wenn möglich – für den Gesamtzeitraum nach Bundesländern aufschlüsseln)?“

Verpflichtende Warnhinweise - Kommt das Schwangeren-Logo?

Die schriftliche Antwort der Parlamentarischen Staatssekretärin Dr. Ophelia Nick stammt vom 5. September 2024: „Die allgemeinen Vorgaben zur Lebensmittelkennzeichnung sind in der Verordnung (EU) Nr. 1169/2011 betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittel-Informationsverordnung, LMIV) EU-weit einheitlich geregelt. Warnhinweise für alkoholhaltige Getränke sind in den europäischen Bestimmungen nicht vorgesehen. Im Februar 2021 hat die EU-Kommission erstmals ihre Maßnahmen für einen Europäischen Plan zur Krebsbekämpfung vorgestellt. Darin kündigt sie unter anderem an, einen Vorschlag für die verpflichtende Angabe von gesundheitsbezogenen Warnhinweisen oder Piktogrammen auf Etiketten alkoholischer Getränke vorzulegen. Grundsätzlich begrüßt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft einen EU-weit harmonisierten Ansatz der Kennzeichnung zur Prävention von missbräuchlichem Alkoholkonsum in der Schwangerschaft.

Auf aufsuchenden Prävalenz-Studien beruhende Statistiken zum Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) oder zu Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) in Deutschland für die Jahre 2020 bis 2024 sowie eine Aufschlüsselung nach Bundesländern liegen aktuell nicht vor.“

Quelle: Schriftliche Fragen mit den in der Woche vom 2. September 2024 eingegangenen Antworten der Bundesregierung Drucksache 20/12734 vom 06.09.2024.

Bundeshaushaltsdebatte: Werberestriktionen für Alkoholindustrie und kein „begleitendes Trinken ab 14“?

Am 12.  September wurde in der Haushaltsdebatte des Bundestages auch der Haushalt des Gesundheitsministeriums (Einzelhaushalt 15) beraten. Nachdem Bundesgesundheitsminister Lauterbach den Haushalt vorgestellt hatte, kam es zu einer lebhaften Aussprache, in der auch in einem Beitrag die Alkoholpolitik thematisiert wurde. Linda Heitmann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) forderte unter anderem: „Alkohol ist die Volksdroge Nummer eins. […] lassen Sie uns bitte endlich darüber reden, wie wir in diesem Land Prävention und Hilfen auf den Weg bringen können, um die Konsumrisiken von Alkohol wirksam zu bekämpfen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Ich kann Ihnen nur sagen: Es gibt Maßnahmen gerade im Bereich der Verhältnisprävention, die man sofort angehen könnte, und die kosten nicht mal Geld, beispielsweise die Werberegulierung bei Alkohol. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD) Dafür gibt es auch eine große Zustimmung in der Bevölkerung. Es wäre eine einfache, für uns kostenlose Maßnahme: kein begleitetes Trinken mehr ab 14 Jahre, (Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) keine Fläschchen „Kleiner Feigling“ mehr an jeder Supermarktkasse, bei der Quengelware. (Alexander Föhr [CDU/CSU]: Sie sind nicht Opposition! Das ist wirklich unfassbar! – Martin Sichert [AfD]: Verbotspartei! Furchtbar!) All das sind Maßnahmen der Verhältnisprävention, die es für null gibt. Wir wollen sie endlich angehen. (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Patrick Schnieder [CDU/CSU]: Begleitetes Regieren! – Jörn König [AfD]: Ha! Verbote gibt es für null!)“

Quelle: Protokoll der 185. Sitzung des 20. Deutschen Bundestages vom 12. September 2024

RN/25.09.2024


Petitionen an den Bundestag um Thema Alkoholkonsum während der Schwangerschaft 

(Stand Juli 2024)

Petitionen an den Bundestag zum Thema Alkoholkonsum
Nach Artikel 17 des Grundgesetzes (GG) hat jedermann das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich mit Bitten oder Beschwerden an die Volksvertretung zu wenden. Jeder, der von diesem Grundrecht Gebrauch macht, erhält die Gewähr dafür, dass seine Petition entgegengenommen, geprüft und beschieden wird. Im Jahr 2023 wurden insgesamt 11.410 Petitionen beim Petitionsausschuss eingereicht (2022: 13.242). Die Anzahl der eingereichten Petitionen ist somit gegenüber dem Vorjahr um 13,8 Prozent gesunken. Die Anzahl der Mitzeichnungen von Petitionen ist gegenüber dem Vorjahr dagegen um mehr als die Hälfte gestiegen, was für durch gesellschaftliche Gruppen organisierte Eingaben spricht.

Warnhinweise für Schwangere?
Die Zahl der Eingaben im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) stieg zwar im Vergleich zum Vorjahr von 158 auf 208 deutlich an. Sie machten aber weniger als 2% der Eingaben aus. Ein Schwerpunkt der Petitionen mit ernährungspolitischem Bezug lag dabei in gesetzgeberischen Anliegen zum Schutz vor gesundheitsgefährdendem Lebensmittel- und Alkoholkonsum. So forderte laut Petitionsbericht eine Eingabe, die auf der Internetseite des Deutschen Bundestages diskutiert und durch 11.032 Mitzeichnungen unterstützt wurde, dass an Kinder gerichtete Werbung für Lebensmittel mit hohem Zucker-, Fett- oder Salzgehalt von 6 Uhr bis 23 Uhr verboten werden soll. Darüber hinaus befassten sich mehrere Petitionen mit gesundheitsschädlichem Alkoholkonsum während der Schwangerschaft. Sie trugen die Forderung an den Deutschen Bundestag heran, auf alkoholhaltigen Getränken Warnhinweise für Schwangere anzubringen sowie den Alkoholkonsum während der Schwangerschaft zu bestrafen.

Cannabis nicht gefährlicher als Alkohol?
Der Petitionsausschuss unterstützte (!) mehrere Petitionen, mit denen gefordert worden war, den Markt für Cannabis als Genussmittel zu regulieren und dabei besonders die Aspekte Jugendschutz, Prävention, Verbraucherschutz und Qualitätskontrolle zu berücksichtigen. Zur Begründung war im Wesentlichen erklärt worden, Cannabis sei nicht gefährlicher als Alkohol. Es gebe keine medizinische Begründung dafür, es zu verbieten, denn ein Verbot sei ein erheblicher, unverhältnismäßiger und unbegründeter Eingriff in die Bürgerrechte und habe keine messbaren positiven Wirkungen. Stattdessen komme es zu negativen Effekten, wie z. B eine ungerechtfertigte Strafverfolgung. Auch koste der Verzicht auf die Besteuerung von Cannabis den Staat jedes Jahr Milliarden Euro. Zugleich fördere der künstlich erzeugte Schwarzmarkt für Cannabis die organisierte Kriminalität.

Null-Promillegrenze?
Der Petitionsausschuss befasste sich mit mehreren Petitionen, die die Einführung einer Null-Promille-Grenze im Straßenverkehr zum Gegenstand hatten. Die Leitpetition wurde auf der Internetseite des Deutschen Bundestages veröffentlicht, dort von 193 Mitzeichnenden unterstützt und eingehend diskutiert. Zur Begründung des Anliegens war im Wesentlichen ausgeführt worden, dass der Konsum von Alkohol die Fahrzeugführenden und deren Verhalten beeinflusse. Da die Alkoholwirkung auch von den individuellen metabolischen und psychischen Kriterien des Einzelnen abhänge, könne diese nicht hinsichtlich ihres Verkehrsgefährdungspotenzials generalisiert herangezogen werden. Dies geschehe jedoch durch die gesetzliche 0,5-Promillegrenze in § 24a Absatz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Der Petitionsausschuss kam nach gründlicher Prüfung und auch in Ansehung der mit der Petition vorgetragenen Argumente zu dem Ergebnis, dass die Einführung einer 0,0-Promilleregelung für alle Kraftfahrzeugführerinnen und -führer in § 24a Absatz 1 StVG unverhältnismäßig ist und daher abgelehnt wird. Die derzeit geltende 0,5-Promillegrenze ist ausreichend.

Quelle: Bericht des Petitionsausschusses (2. Ausschuss) - Bitten und Beschwerden an den Deutschen Bundestag - Die Tätigkeit des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages im Jahr 2023 - Drucksache 20/11600 vom 26.06.2024.

RN/3.7.2024

 

 

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