Weingenießer machen noch etwas anderes richtig - Ein Artikel über Bier & Wein.
Kolumne Nachgeforscht April 2017
Beer-and-Health-Symposium. Zwei Seelen in meiner Brust. Meine vinophile grummelt schon alleine bei der Kombination von Bier und Gesundheit, meine wissenschaftliche freut sich über die geballte Forscherkompetenz, die die Europäischen Brauer nach Brüssel geladen hatten. Renommierte internationale Wissenschaftler tauschen sich zu dem politisch heiklen Thema aus. Man kennt sich untereinander und alle wichtigen Studien, die wir auch in der Weinwelt bei gesundheitlichen Bewertungen heranziehen. Denn wer trinkt schon NUR Wein oder NUR Bier? Der Harvard-Professor setzt vorweg mal ein Zeichen: Es sei unbestritten, dass Konsumenten moderater Mengen alkoholischer Getränke im statistischen Mittel länger leben, im Vergleich zu denen, die keinerlei Alkoholisches trinken. Die Daten seien transparent, nachmessbar und unabhängig ausgewertet. Fakten. Punkt. Der Folgeredner, Professor der Athener Universität, beunruhigt mit seinen ersten Sätzen die Veranstalter allerdings mit der Feststellung, dass Weintrinker ein reduziertes Krankheits- und Sterberisiko zeigten. Er sollte doch über die Effekte von moderatem Bierkonsum auf Herzkrankheiten referieren; was er dann auch tut. Dazu zündet er ein Feuerwerk an Studien. Wissenschaftlich korrekt legt er dabei immer die Ergebnisse in ihrer Gesamtheit dar. Und diese weisen bei fast allen Studien, die auch die Art des alkoholischen Getränks erfassten, dem Bier einen Benefit nach. Allerdings schneidet Wein (leider) immer ein bisschen besser ab. Ich versuche mir meine Genugtuung nicht anmerken zu lassen, genieße aber insgeheim die weiteren Ausführungen. Daten von mehreren hunderttausend Personen belegten unterm Strich für die moderaten Biertrinker ein 20 % reduziertes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – für Wein (sorry) knapp 30 %. Die Wahrscheinlichkeit, in der Folge dieser Erkrankung an einem Herzinfarkt zu sterben, lag für Bierkonsumenten 24 % niedriger als für Abstinente, beim Wein gar 51%. Den Gipfel setzt er mit dem Vergleich der Gesamtmortalität, also der Sterblichkeit an allen Todesursachen zusammen. Diese liegt bei Bierfreunden circa 10 % unter der der Abstinenten, bei Weingenießern (leider) etwa 30 %. Er zieht das Fazit, dass es hier eine große Evidenz für aus Fermentation gewonnene alkoholische Getränke gäbe. Erleichterung in der Bierfraktion.
Benefit für die Weintrinker?
Dass die Weintrinker in der Regel immer besser wegkommen, mag ja auch an deren Lebensstil liegen, mutmaßt der griechische Professor. Er bemüht bei der Suche nach der Kausalität nicht die übliche mediterrane Kost (hätte man ihm ob seiner Herkunft durchaus verziehen), sondern beruft sich auf eine Auswertung von Einkaufszetteln aus dänischen Supermärkten. 3,5 Millionen eingescannte Belege zeigten, was Menschen, die Bier bzw. Wein kauften, noch in ihren Einkaufwägen hatten. Ergebnis: Die Weinkäufer luden signifikant mehr gesunde Lebensmittel, wie Gemüse, Fisch und Früchte ein, während der Biereinkauf häufiger kombiniert war mit Süßwaren, Wurst und Chips.
Huhn oder Ei? Leben nun die Weintrinker länger, weil sie einen gesunden Lebensstil pflegen oder pflegen sie einen Lebensstil, zu dem obligatorisch das Glas Wein zum Essen gehört?
Beim gemeinsamen Essen erfahren wir, dass auch die Kollegen der Bierbranche mehr Wein trinken als sie zugeben. Ich freue mich über solche Steilvorlage und genieße das (übrigens vorzügliche) zweite Glas Bier.