Kolumne
NACHGEFORSCHT

Wissenschaftlicher Überblick

Kolumne Nachgeforscht August 2020

Wein auf Rezept? Provokante Frage. Ein Artikel über den Einfluss moderaten Weingenusses auf Diabetes.

Sollen wir bei Diabetes Typ 2 Abstinenz oder das tägliche Glas Wein verschreiben? Eine provokante Frage als Überschrift im Journal of Cardiovascular Medicine and Cardiology. Autor ist der charmant-provokante Professor für Diabetologie aus München, der sich schon immer was getraut hat. Denn ja, das Trauen wird immer weniger in der Medizin. Grund ist die Verunsicherung von Ärzten und Patienten, vor allem, wenn es um alkoholische Getränke geht.

Zankapfel Lifestyle-Management
Das Ziel von effektivem Diabetes-Management ist, die Komplikationen, vor allem das kardiovaskuläre Risiko, das sich in Herzinfarkt und Schlaganfall zeigt, zu minimieren. Dazu kommt das Lifestyle-Management zur Erhaltung der Lebensqualität. Beide Managements brauchen Information – und zwar evidenzbasierte. Typ 2-Diabetiker wissen, dass ihre Bauchspeicheldrüse zu wenig oder unbrauchbares Insulin produziert. Dadurch ist ihr Blutzuckerspiegel stetig erhöht, was zu den beschriebenen kardiovaskulären Komplikationen führt. Man kann diesem medikamentös und/oder mit einer gesunden Lebensführung und Ernährung entgegentreten. Zu Letzterem braucht man - neudeutsch - das Lifestyle- Management, zu dem sich die medizinischen Experten in schöner Regelmäßigkeit widersprechen.

Akribisch führt der Professor die Fakten auf: In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Studien mit hoher Evidenz publiziert worden, die das Phänomen der dosisabhängigen Effektumkehr (J-Kurve) des Weintrinkens zeigen. Soll heißen, zu viel zu trinken lässt das Risiko ebenso steigen wie totale Abstinenz. Unzweifelhaft wirke sich das richtige Maß im Rahmen traditioneller mediterraner Ernährung günstig auf den Zucker- und Fettstoffwechsel sowie auf den Blutdruck aus. Ebenso zeigen aktuelle Untersuchungen, dass ein (!) Glas Wein am Tag mit reduzierter Morbidität und Mortalität verbunden ist. Zu guter Letzt senkt es im vordiabetischen Stadium das Risiko, einen manifesten Diabetes zu entwickeln.

Keine Informationen aus Angst vor Missbrauch?
Dieses Wissen ist leider unzureichend in den klinischen Alltag transferiert. Warum? Man spricht den Patienten das Recht ab, sich aufgrund dieser Informationen bewusst für das Glas Wein zu entscheiden - aus Angst, dass für Missbrauch und Sucht Tür und Tor geöffnet ist. Dazu werden ebenfalls aktuelle Studien, die dem Glas Wein seinen Effekt aberkennen, herangezogen – allerdings mit geringer Evidenz. Damit wird dann der Unbedenklichkeitswert von „Null“ propagiert. Für Typ 2-Diabteiker werde zudem noch undifferenziert vor der alkoholinduzierten Unterzuckerung gewarnt, obwohl ein moderater Konsum, insbesondere zu einer Mahlzeit, die Zuckerkontrolle von Diabetikern nicht beeinträchtigt.

Mediterrane Ernährung schließt Wein ein
Leider seien auch die offiziellen Diabetes-Richtlinien nicht wissenschaftlich stringent. So ist man sich zwar einig, dass die mediterrane Ernährung sowohl die Diabetes-Inzidenz als auch die kardiovaskuläre Sterblichkeit reduziert, aber ignoriere, dass eine der neun Komponenten, die die Mittelmeerkost ausmachen, der moderate Weingenuss ist. Dies wird zunehmend eliminiert, vergessen, verschwiegen….

Nun hat der Patient nicht nur eine Bauchspeicheldrüse, sondern auch ein Gehirn und sollte in die Lage versetzt werden, informiert Entscheidungen zu treffen. In postfaktischen Zeiten ist eine differenzierte Diskussion über Nutzen und Risiken des Konsums alkoholischer Getränke wichtiger denn je.

Ohne Pathos endet der Diabetologe in seinem Beitrag: Wir sollten unseren Patienten nicht wahllos Alkoholisches empfehlen (Kinder und Schwangere sind ohnehin ausgeschlossen), aber sie erwarten eine kompetente Unterstützung im Lifestyle-Management. Ich kenne meine Diabetiker, weshalb ich den meisten von ihnen auch das mediterrane Ernährungsmuster empfehle, weil es positive Wirkungen nicht nur auf ihren Diabetes hat– und dieses enthält nun mal das Glas Wein zum Essen. Prosit – es möge nützen!

 

 

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Kolumne Nachgeforscht Diabetes mellitus

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