Kolumne
NACHGEFORSCHT

Wissenschaftlicher Überblick

Kolumne Nachgeforscht Juni 2020

Jugend und Alkohol - Eine Trendwende? Ein Artikel zum veränderten Trinkverhalten der Jugend.

Obwohl meine Kinder, was Komatrinken anbelangt, schon über die kritischen Jahre hinweg sind, treibt mich die Thematik um. Jugendliche trinken immer weniger Alkoholisches. Auch das Rauschtrinken scheint zurück zu gehen. Ein Fakt, den wir uns vor 10 Jahren nur erträumen konnten. Da hieß es in regelmäßiger Beständigkeit: Die Jugend trinkt zu viel, bis zur Bewusstlosigkeit, allen in dem unschönen Wort „Komasaufen“ in Erinnerung.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), die regelmäßig den Alkoholkonsum der 12- bis 25-Jährigen bundesweit erhebt, zeigt nun eine Trendwende auf. Aktuell konsumieren 8,7 Prozent der Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren regelmäßig alkoholische Getränke. Das ist ein historisch niedriger Stand. In dieser Altersgruppe lag der Wert im Jahr 2004 noch bei 21,2 Prozent. Der Anteil derer, die sich im letzten Monat in einen Rausch getrunken haben, ist vom Jahr 2004 mit 22,6 Prozent auf aktuell 13,6 Prozent gesunken. Ein ähnliches Bild gibt es von den jungen Erwachsenen von 18 bis 25 Jahren. Von ihnen trinken aktuell 33,4 Prozent regelmäßig Alkoholika – über 10 Prozent weniger als im Jahr 2004 – auch hier mit stetem Rückgang des riskanten Komatrinkens.

Nun kann man in der Wissenschaft nicht einfach eine Tatsache zur Kenntnis nehmen und sich daran freuen. Man muss immer wissen: Warum ist das so? Über die Gründe für diese Entwicklung haben die Forscher in den letzten Monaten einiges publiziert.

Im positiven Falle wolle die Jugend gesünder leben. Bewusst sich nicht zu betrinken, sich nicht im Rausch unauslöschbar auf youtube oder Instagram zu sehen, habe zudem mehr und mehr etwas Besonderes. Im schlechtesten Fall konsumieren sie jetzt „Ersatzdrogen“, wie Cannabis und Co, die mittlerweile als „cooler“ gelten als Alkohol. Aber gemäß meiner „Halb-Glas-voll-Mentalität“ nehmen wir mal den ersten Fall an. Weitere Gründe werden den digitalen Medien zugeschrieben, die ihren Anteil am bewussteren Umgang mit Alkohol haben könnten. In den Stunden vor dem PC oder der Spielekonsole könne man sich nicht mit Freunden treffen und gemeinsam trinken. Anscheinend habe auch die Annahme, dass junge Menschen in den sozialen Netzwerken vermehrt Alkoholwerbung ausgesetzt sind, entgegen der landläufigen Meinung keinen negativen Einfluss auf das Trinkverhalten. Als Hauptgrund wird das - im Gegensatz zu früheren Generationen - weniger konfliktbeladene und durchweg bessere Verhältnis zu den Eltern angeführt.

Seinerzeit hatten die erschreckenden Zahlen der früheren Komasaufen-Ära die Politik und die BzgA, aber auch die Wirtschaft auf den Plan gebracht. Die Weinbranche beschloss, mit Wine in Moderation ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Ein europäisches Programm, mit der der Weinsektor sich für ein moderates Weingenießen einsetzt, nicht nur, weil ansonsten restriktive Maßnahmen von Seiten des Staates drohten. Kultivierter Genuss geht nur mit Maß und Stil. Der Weinsektor engagierte sich zudem lange vor Zuspitzung der Thematik - den 90ern des vergangenen Jahrhunderts - gemeinsam mit der Bier- und Spirituosenbranche für DON´T DRINK AND DRIVE-und zwar erfolgreich. Alkohol am Steuer ist mittlerweile für die meisten jungen (und alten) Menschen tabu.

Natürlich sind nicht nur diese erwähnten Kampagnen Gründe für die positiven Veränderungen, aber wir können gut und gerne annehmen, dass wir unseren Teil dazu beigetragen haben und es immer noch tun. Für mich am nachvollziehbarsten ist die verbesserte Eltern-Kind-Beziehung. Kinder schauen sich das ab, was zuhause gelebt wird und machen heute wohl eher das gleiche statt - wie wir damals - genau das Gegenteil. Ich freu mich auf die leider zu seltenen, aber immer anregenden Wochenenden mit meinen Endzwanzigern, an denen die (maßvolle) Dezimierung des heimischen Weinbestandes gerne in Kauf genommen wird.

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