Vom harten Hengst zum feurigen Riesling. In einer mit leichter Feder und humorvoll geschriebenen Ode an den Mittelrhein und die wechselvolle Geschichte seines Weinbaus, vorgelegt als schönes Buch und prominent vorgestellt auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt.
Buchtipp
Was so ein paar Gläser Drachenblut anrichten können! Bei Dr. Rudolf Nickenig, geboren in einen Bopparder Weinbaubetrieb, promovierter Oecotrophologe zum Thema Polyphenole im Weißwein, Generalsekretär des Deutschen Weinbauverbandes, Chefredakteur der Fachzeitschrift „Der Deutsche Weinbau“ und Mitglied des Wissenschaftlichen Beirats der Deutschen Weinakademie, um nur einige seiner Affinitäten zum Rebensaft zu nennen, geschah Bemerkenswertes: Im Gespräch mit einem französischen Kollegen führte der abendliche Genuss des guten Tropfens aus Königswinter bei Bonn zum Beginn einer Spurensuche: Was mühsam klingen mag und ganz offensichtlich mit einer Menge akribischer Arbeit verbunden war, endet jedoch glücklich: In einer mit leichter Feder und humorvoll geschriebenen Ode an den Mittelrhein und die wechselvolle Geschichte seines Weinbaus, vorgelegt als schönes Buch und prominent vorgestellt auf der diesjährigen Buchmesse in Frankfurt.
Angeregt durch die bohrenden Fragen des vom Wein und der Landschaft beeindruckten französischen Kollegen begibt sich Nickenig auf eine durchaus anspruchsvolle Reise zu den Wurzeln der mittelrheinischen Weinkultur – nicht ahnend, dass schon die Eingrenzung des Gebietes nicht ganz so einfach ist, wie angenommen. Doch Aufgeben ist die Sache des Autors nicht. Und so recherchiert er und lässt sich von den Geistern des Drachenblutes zu fiktiven Interviews mit längst verblichenen Koryphäen hinreißen, um zu erkunden, seit wann es in dieser – aus französischer Sicht – nordeuropäischen Gegend Weinbau gibt, wer ihn dorthin gebracht hat, wann seine Blütezeit war, wann und warum es zum teilweisen Verfall kam, aber auch, wie optimistisch die engagierten und gut ausgebildeten jungen Winzer am Mittelrhein heute in die Zukunft blicken.
Dabei kommen interessante Details zum Vorschein und viele Zahlen, wie etwa die, dass im 17. Jahrhundert ein Drittel der Fläche innerhalb der Kölner Stadtmauern mit Wein bepflanzt war. Oder dass die Winzer im späten Mittelalter oft nicht genug Mist beschaffen konnten, um ihre Reben zu düngen. Von den Gefahren durch Abstinenzbewegung, Dampfschifffahrt und Eisenbahn ist ebenso die Rede wie vom jüngst aufblühenden Tourismus, von Rheinsteigwanderungen und dem aktuell guten Zuspruch durch anspruchsvolle Genusstouristen. Auch die Verballhornung der Namen jener Reben, die den ersten am Mittelrhein angepflanzten römischen Trauben folgten, wird nachvollzogen: So wurde im Lauf der Jahrhunderte aus dem „huntschen“ Wein allmählich der Heunich, der Hart-Henntsch und schließlich der imposante Harthengst.
Bei seiner Spurenlese zwischen Ruinen und Reben trifft Nickenig auf Reisende und Winzer, Funktionäre und Visionäre, und er spricht mit allen, die ihm interessant erscheinen, seien sie nun tot oder lebendig. Die Reise endet mit einem feurigen Riesling, der die Phantasie ebenso beflügelt wie das Drachenblut zu Beginn.
Rudolf Nickenig: Vom Harten Hengst zum Feurigen Riesling.
Spurenlese zwischen Ruinen, Reben, Reisenden und Winzern.
Verlag Matthias Ess, Bad Kreuznach 2015, ISBN 978-3-945676-06-6, 19,80 Euro