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Bundestag

Stellungnahme: Wissenschaftlicher Beirat der DWA  / Thema: Gleichstellung von Cannabis, Tabak und Alkohol

(Stand 13.11.2020)
Differenzierte Betrachtung und problemorientierte Maßnahmen erforderlich!
Die drei Oppositionsparteien BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, DIE LINKE und die FDP setzen sich im Bundestag für eine faktische Gleichstellung von Cannabis mit Tabak und Alkohol ein (siehe Bericht „Cannabis den alkoholischen Getränken gleichstellen?“ Stand Ende Oktober). Mit einer sog. Kleinen Bundestagsanfrage hat die Fraktion DIE LINKE die Bundesregierung aufgefordert, ihre Ablehnung der Cannabis-Gleichstellung ausführlich zu begründen und ihre Alkoholpolitik zu erläutern. Nachzulesen in der Drucksache 19/23736 vom 27.10.2020.

Der Wunsch nach Gleichstellung von Cannabis mit Tabak und Alkohol der Opposition ist insofern zu hinterfragen, als es sowohl hinsichtlich der Regelungen, als auch hinsichtlich der gesundheitlichen Gefahren erhebliche Unterschiede zwischen Cannabis, Rauchen und Konsum von alkoholischen Getränken gibt. Zu beanstanden bei diesem Ansinnen ist vor allem die nicht korrekte Grundannahme, dass Alkohol, Cannabis und Rauchen gleichgestellt werden können.

Alkoholische Getränke/Wein sind Lebensmittel. Sie unterliegen den lebensmittelrechtlichen Regelungen. Sie sind moderat genossen nicht gesundheitsschädigend. Drogenhanf/Cannabis ist dagegen kein Lebensmittel, er unterliegt dem Betäubungsmittelgesetz. Nur Nutzhanf, um den es in dieser kleinen Anfrage aber nicht geht (mit Cannabinoid-Gehalten weniger als 0,2%) unterliegt dem Lebensmittelrecht, weil es Lebensmitteln zugesetzt werden kann. Der zweite große Unterschied: Es gibt keine J-Kurve – und damit keine Benefits - für leichtes bis moderates Rauchen. (De Gaetano et al 2017)

Zudem gilt die J-förmige Beziehung von Alkohol nicht nur für kardiovaskuläre Erkrankungen und die Gesamtsterblichkeit sondern auch für andere Krankheiten, wie Typ 2-Diabetes (Koppes et al 2006, Neafsey et al 2011, Koloverou et al 2014, Xu et al 2017, Lao et al 2020). Denn nur Missbrauch von alkoholischen Getränke birgt evidenzbasierte gesundheitliche Schäden. Dies wurde immer wieder belegt, auch mit Berücksichtigung auf die Vergleichsgruppen (Shaper et al 1988, Rehm et al 2008, Mukamal et al 2006). Evidenz basiert heißt auch, dass es dafür eine biologische Plausibilität gibt. Das heißt, im Falle von Alkohol und kardiovaskulären Erkrankungen z.B. positive Änderungen der relevanten Lipoproteine, wie HDL und LDL sowie der Faktoren im Gerinnungsgeschehen wie der Thromozytenaggregation (Blutverdünnung).

Bei Wein ist der Zusatznutzen belegt durch die phenolischen Substanzen, die sowohl eine Besserung des Endothels, der Entzündlichkeit und auch der effektiven Begegnung negativer oxidativer Geschehen bedingen. Leider lassen die Antworten der Bundesregierung in einigen Fällen die notwendige Differenzierung auf die bewusst provozierenden Fragen vermissen. Dies zeigt sich z. B. bei der Beantwortung der Frage, wie die Bundesregierung die Risiken für Dritte durch den Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis (Gewalt unter Drogeneinfluss, Passivkonsum, gesamtwirtschaftliche Folgekosten durch Krankheitsbehandlung, Arbeitsunfähigkeit etc.) bewertet? Die Antwort lautet:

„Nach Einschätzung der Bundesregierung handelt es sich bei den Risiken, die durch den Konsum von Alkohol, Tabak und Cannabis für Dritte entstehen können, teilweise um gravierende gesundheitliche, soziale, sicherheitsrelevante und/oder gesellschaftliche Probleme. Das Hinauszögern des Einstiegs in den Konsum sowie die Reduzierung des Konsums dieser Substanzen sind daher wichtige gesundheitspolitische Ziele der Bundesregierung, die durch aufeinander abgestimmte präventive, gesetzliche und strukturelle Maßnahmen erreicht werden sollen.“

Hier fehlen mehrere Dimensionen einer differenzierten Bewertung: Gesundheitliche Risiken für den Konsumenten einerseits, für die Gemeinschaft andererseits, Unterscheidung zwischen moderatem und missbräuchlichem Konsum, und vieles anderes mehr. Doch wenn bei der Analyse, bei der Beschreibung von politischen Aktionsfeldern, bei Instrumentarien und Maßnahmen nicht (mehr) sorgfältig differenziert wird, läuft die Bundesregierung Gefahr, dass eine problemorientierte differenzierte Präventionspolitik zu einer staatlichen pauschalierenden Verbots- und Reglementierungspolitik mutiert. Statt einer generellen Antialkoholpolitik ist eine Politik der Akzeptanz des moderaten Konsums zusammen mit einer Präventionspolitik zur Vermeidung des Missbrauchs wünschenswert.

Die nötige differenzierte Betrachtung gelingt ansatzweise bei der Diskussion um die „Funktion der Werbebeschränkungen für Tabak - und Alkoholprodukte“, wenn die freiwilligen Präventivmaßnahmen der Branchen Anerkennung finden. Während die Werbeeinschränkungen für Tabak das Ziel verfolgen, die Raucherquote weiter zu senken, dienen die Werbeeinschränkungen beim Thema Alkohol dem Zweck, den missbräuchlichen und riskanten Alkoholkonsum zu reduzieren, nicht aber jeglichen Alkoholkonsum zu senken:

„Die Regulierung von Alkohol und Tabak in den verschiedenen Feldern hat unterschiedliche Ziele, die von Jugendschutz über Gesundheitsschutz bis hin zum Verbraucherschutz reichen. Die Gesundheitsschäden durch Rauchen sind erheblich: Schätzungen zufolge sterben in Deutschland jährlich 121 000 Menschen an den Folgen des Tabakrauchens. Die Werbebeschränkungen werden als wirksame Mittel eingeschätzt, um eine weitere Senkung der Raucherquote zu erreichen. Ebenso sind die bestehenden gesetzlichen wie auch freiwilligen Regulierungen der Werbung für alkoholische Getränke auf nationaler und europäischer Ebene sinnvoll, um missbräuchlichen und riskanten Alkoholkonsum zu reduzieren.“

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