Wissenschaftlicher Überblick - Wissenschaftliche Datenlage zu Diabetes mellitus Typ 2
Diabetes mellitus Typ 2
Immer mehr Menschen erkranken an Typ 2 Diabetes („Alterszucker“, Altersdiabetes). Allein in Deutschland gibt es inzwischen mehr als acht Millionen Betroffene. Die Stoffwechselstörung basiert nicht wie bei der Typ 1-Variante auf einem Fehlen des Insulins, sondern auf der so genannten Insulinresistenz, also einer mangelnden Wirkung des Hormons der Bauchspeicheldrüse. Die chronisch erhöhte Blutzuckerkonzentration bei beiden Diabetesformen hat dramatische gesundheitliche Konsequenzen. So ist das Risiko, einen Herz- oder Hirninfarkt zu erleiden, bei Diabetikern etwa viermal höher als bei Menschen mit normalem Zuckerstoffwechsel.
Während sich der Diabetes Typ 1 relativ wenig durch eine Änderung der Lebensstilfaktoren beeinflussen lässt, ist dies beim Typ 2 der Fall. Neben einer Ernährungsumstellung kann ein moderater Konsum alkoholischer Getränke das Risiko für einen Typ 2 Diabetes deutlich senken und stellt einen eigenen Schutzfaktor dar, insbesondere wenn er im Rahmen einer Mahlzeit erfolgt. Aktuelle Daten aus Großbritannien zeigen, dass sich die Wahrscheinlichkeit, an Diabetes zu erkranken, um 62% verringert, wenn 5 bis 6 gesunde Lebensstilfaktoren berücksichtigt werden (zu denen der maßvolle Alkoholgenuss zählt) im Vergleich zu einer Lebensweise mit höchstens einem Faktor.1
Einer aktuellen Studie zufolge sinken durch den maßvollen, regelmäßigen Genuss die Werte für den Langzeitzucker (HbA1c) sowie der Entzündungsmarker CRP (C-reaktives Protein), den Risikomarkern für eine diabetische Erkrankung. Dabei scheinen insbesondere die Frauen von der günstigen Wirkung eines moderaten Konsums alkoholischer Getränke zu profitieren. Das zeigt eine aktuelle Übersichtsarbeit eines internationalen Forschungsteams. Während bei den Männern kein signifikanter Zusammenhang zum Diabetesrisiko zu beobachten war, korrelierte bei den Frauen der Genuss von bis zu knapp 50 g Alkohol täglich im Vergleich zu Abstinenz mit einem signifikant verringerten Risiko. Am deutlichsten fiel die Risikoreduktion bei den übergewichtigen Frauen aus (ab BMI 25): um bis zu 48% bei 21 g Alkohol pro Tag.1
Möglicherweise spielt auch die Art des Getränks eine Rolle. So scheint ein regelmäßiger Weingenuss besser zur Diabetes-Prophylaxe geeignet zu sein als Bier oder Spirituosen. Dies wird mit den zahlreichen protektiven Wirkungen der Weinphenole erklärt.1
Auch bei bereits bestehendem Diabetes Typ 2 wirkt sich der moderate Konsum alkoholischer Getränke günstig aus: Das Risiko für Spät- und Folgeschäden (Herzinfarkte, Schlaganfälle, Blindheit, dialysepflichtige Nierenleiden und Gefäßverschlüsse in den Beinen) ist geringer und die Langzeitprognose verbessert sich. Möglicherweise kommt es durch maßvollen Weingenuss zu einem Rückgang arteriosklerotischer Ablagerungen (Plaques), wie es im Rahmen der CASCADE-Studie bei Typ-2-Diabetikern nach einem Glas Wein pro Tag zu beobachten war.2
Auch die Blutzuckerkontrolle von Diabetikern ist durch einen moderaten Weinkonsum nicht gefährdet, insbesondere wenn er zu einer Mahlzeit erfolgt (wie z.B. im Rahmen der mediterranen Ernährung üblich). Das Risiko einer verzögerten Unterzuckerung wird dadurch minimiert. Erst bei mehr als 30 Gramm Alkohol / Tag bei Diabetikerinnen und mehr als 45 Gramm bei Diabetikern kann laut einer Studie die Glukosekontrolle beeinträchtigt werden.2
Diese Erkenntnis führte letztendlich zu einem Konsensuspapier der US-amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA), das nun den moderaten Weingenuss in die Ernährungstherapie von Diabetikern einschließt.2
Eine aktuelle Übersichtsarbeit kommt sogar zu dem Schluss, dass aufgrund der überzeugenden Evidenz das Glas Wein zum Abendessen einen Platz in den ärztlichen Lebensstilempfehlungen für (Prä-) Diabetiker bekommen müsse.
(1) Quellen: Risiko für die Entstehung eines Typ 2 Diabetes
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(2) Quellen: Spät und Folgeschäden
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