Wissenschaftlicher Überblick - Wissenschaftliche Datenlage zu Diabetes mellitus.
Diabetes mellitus
Immer mehr Menschen erkranken an Typ 2 Diabetes („Alterszucker“, Altersdiabetes). Allein in Deutschland gibt es inzwischen mehr als acht Millionen Betroffene, weltweit sollen es bis 2030 knapp eine halbe Milliarde sein.
Was ist Diabetes mellitus Typ 2? Diese Stoffwechselstörung basiert nicht wie bei der Typ 1-Variante auf einem Fehlen des Insulins, sondern auf der so genannten Insulinresistenz, also einer mangelnden Wirkung des Hormons. Die chronisch erhöhte Blutzuckerkonzentration bei beiden Diabetesformen hat dramatische gesundheitliche Konsequenzen. So ist das Risiko, einen Herz- oder Hirninfarkt zu erleiden, bei Diabetikern etwa viermal höher als bei Menschen mit normalem Zuckerstoffwechsel.
Während sich der Diabetes Typ 1 relativ wenig durch eine Änderung der Lebensstilfaktoren beeinflussen lässt, ist dies beim Typ 2 der Fall. Neben einer Ernährungsumstellung kann ein moderater Konsum alkoholischer Getränke das Risiko senken, einen Typ 2 Diabetes zu entwickeln. Das zeigt eine Vielzahl an Studien1. Darüber hinaus ist bei bereits bestehendem Diabetes das Risiko für Spät- und Folgeschäden geringer und die Langzeitprognose2 verbessert sich. Auch die Blutzuckerkontrolle ist nicht gefährdet.
Risikofaktoren für die Entstehung eines Typ 2 Diabetes
Bei Typ 2 Diabetes wirken mehrere erbliche und nichterbliche Faktoren zusammen. Für die Auslösung der Erkrankung spielen neben der genetischen Komponente folgende Faktoren eine entscheidende Rolle:
- Fehlernährung
- Übergewicht
- Bewegungsmangel
- Zigarettenrauchen
- Bluthochdruck
- höheres Lebensalter
Mit einem gesunden Lebensstil, insbesondere dem mediterranen, lassen sich viele der typischen Diabetes-Risiken senken. Dies sollen pars pro toto einige Studien verdeutlichen: In der ATTICA-Studie ging ein geringer Konsum alkoholischer Getränke bei gesunden Probanden mit einem verminderten Diabetes-Risiko einher. Wurde mehr oder nicht getrunken, hatte dies keinen eindeutigen Einfluss auf das Erkrankungsrisiko. Ein maßvoller Genuss alkoholischer Getränke stellt damit einen eigenständigen Schutzfaktor im Rahmen einer gesunden Lebensweise dar. Auch verschiedene chinesische Studien sowie die ARIC-Studie zeigen ein deutlich vermindertes Diabetes-Risiko bei moderatem Konsum alkoholischer Getränke, unabhängig vom Lebensstil und damit anderen Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Rauchverhalten, Körpermassenindex (BMI), sportlicher Aktivität oder familiärer Vorbelastung.
Möglicherweise spielt auch die Art des Getränks eine Rolle. So scheint ein regelmäßiger Weingenuss besser zur Diabetes-Prophylaxe geeignet zu sein als Bier oder Spirituosen. Dies wird mit den zahlreichen protektiven Wirkungen der Weinphenole erklärt.1
Spät- und Folgeschäden
Ein schlecht eingestellter Diabetes erhöht das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Blindheit, dialysepflichtige Nierenleiden und Gefäßverschlüsse in den Beinen deutlich. Eine Literaturauswertung eines interdisziplinären Wissenschaftler-Teams kommt zu dem Ergebnis, dass sich mehrere Ernährungsformen, insbesondere die mediterrane, günstig auf den Erkrankungsverlauf bei Diabetes und die assoziierten Risikofaktoren für Folgeerkankungen auswirken. Die mediterrane Ernährung war unter acht untersuchten Essmustern die einzige, die moderaten Weinkonsum einschloss, und auch als einzige mit einem verringerten Herz-Kreislauf-Risiko unter Diabetikern einherging.2
Die Studie führte letztendlich zu einem Konsensuspapier der US-amerikanischen Diabetesgesellschaft (ADA), das nun moderaten Weingenuss in die Ernährungstherapie von Diabetikern einschließt. Es basiert auf der Erkenntnis, dass ein moderater Konsum, insbesondere zu einer Mahlzeit (wie im Rahmen der mediterranen Ernährung üblich), die Zuckerkontrolle von Diabetikern nicht beeinträchtigt. Auch wird dadurch das Risiko einer verzögerten Unterzuckerung minimiert. Erst bei mehr als 30 Gramm Alkohol / Tag bei Diabetikerinnen und mehr als 45 Gramm bei Diabetikern könne die Glukosekontrolle beeinträchtigt werden.2
Auch die weltweit größte Diabetikerstudie ADVANCE (Action in Diabetes and Vascular Disease) zeigt: Neben angemessener körperlicher Bewegung und angepasster Ernährung kann ein moderater Konsum alkoholischer Getränke (insbesondere von Wein) Spät- und Folgeschäden an den Blutgefäßen verringern.
Möglicherweise kommt es durch moderaten Weingenuss zu einem Rückgang arteriosklerotischer Ablagerungen (Plaques). Das lässt zumindest die israelische CASCADE-Studie vermuten. Ultraschallmessungen an den Halsschlagadern von Typ-2-Diabetikern ergaben, dass es bei einem Glas Wein pro Tag bei bereits größeren erkennbaren „Verkalkungen“ sogar zu einem geringen aber doch deutlichen Rückgang der Plaques kam. 2
Eine aktuelle Übersichtsarbeit kommt letztendlich zu dem Schluss, dass aufgrund der überzeugenden Evidenz das Glas Wein zum Abendessen einen Platz in den ärztlichen Lebensstilempfehlungen für (Prä-) Diabetiker bekommen müsse.
(1) Quellen: Risiko für die Entstehung eines Typ 2 Diabetes
O'Connor LE et al.
Nutr Diabetes 2020
Neuenschwander M et al.
BMJ 2019
Polsky S und Akturk HK.
Curr Diab Rep 2017
Huang J et al.
J Diabetes Investig 2016
Li X-H et al.
AJCN 2016
Koloverou E et al.
Diabetes Metab 2014
Baliunas DO et al.
Diabetes Care 2009
Djoussé L et al.
Obesity 2007
Koppes LL et al.
Diabetes Care 2005
Wei M et al.
Diabetes Care 23 2000
Ajani UA et al.
Arch Intern Med 2000
(2) Quellen: Spät und Folgeschäden
Rett K
JCMC 2020
Evert AB et al.
Diabetes Care 2019
Golan R et al.
Eur J Clin Nutr 2018
Polsky S und Akturk HK.
Curr Diab Rep 2017
Gepner Y et al.
Am J Hypertens 2015
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Ann Intern Med 2015
Bonaccio M et al.
Eur J Prev Cardiol 2015
Blomster JI et al.
Diabetes Care 2014
Dunkler D et al.
JAMA Intern Med 2013
Howard AA et al.
Ann Intern Med 2004
Harding AH et al.
Eur J Clin Nutr 2002