Wissenschaftlicher
BEIRAT

Deutsche Weinakademie

Senkt bereits ein Glas Wein die Lebenserwartung?

Die Stellungnahme des Wissenschaftlichen Beirats zum Thema: Wie viel ist zu viel? Senkt bereits ein Glas Wein die Lebenserwartung?

Eine große Studie - genauer eine Meta-Analyse prospektiver Kohortenstudien - im renommierten Fachblatt The Lancet sorgte in der letzten Woche für Unsicherheit aller, die gerne ein Glas Wein trinken und jahrzehntelang davon ausgingen, dass es ihnen gut tue oder - vorsichtig und „politisch korrekt“ ausgedrückt - nicht schade.

Die Studie mit über 100 Autoren wurde weltweit über die Fach- und Publikumsmedien mit solchen oder ähnlichen Überschriften kommuniziert:

„Verkürzt schon ein Glas Wein das Leben?“ oder „Forderung 
nach niedrigeren Richtwerten für Alkohol.“

 Der DWA-Beirat hat die Studie näher analysiert und kam zu folgender Bewertung: 

Bei der zu bewertenden Publikation handelt sich um eine gepoolte Auswertung reiner Beobachtungsstudien (Kohortenstudien), die grundsätzlich keine Kausalität, sondern nur Assoziationen aufzeigen können. In der Evidenz basierten Medizin ist es deshalb etabliert, dass auf Grund von Assoziationen keine klar definierten Empfehlungen abgegeben werden sollten. 

Hauptkritikpunkt sieht der Beirat in der nicht plausiblen Wahl der Referenzgruppen für die verschiedenen Auswertungen.  

Besonders kritisch zu bewerten ist die wenig differenzierte Berichterstattung in Fach- und Publikumsmedien. Die Schlagzeilen „Jedes Glas Wein ist bereits schädlich“ ist mit dieser Analyse nicht belegbar. Bei kritischer Betrachtung der Originaldaten der Studie (einschließlich der im Supplement versteckten Daten) bleibt die J-förmige Risikokurve bestehen, womit die gesundheitlichen Benefits bei wenig bis moderatem Konsum bestätigt sind. 

Der Beirat sieht unter Berücksichtigung der Gesamtdatenlage in dieser Studie keinen Anlass, die im Wine in Moderation-Programm als moderat definierte Konsumwerte in Frage zu stellen. Diese liegen mit maximal 20 g Alkohol pro Tag für die Frau und bis zu 30 g für den Mann (unter Berücksichtigung individueller Gegebenheiten und Gegenanzeigen) im internationalen Durchschnitt und sind auch weiterhin zu verantworten.  

Auch die DGE (Deutsche Gesellschaft für Ernährung) resumiert: Die Ergebnisse dieser Studie stehen nicht im Widerspruch zu den Referenzwerten der DGE, die diese nach vorsichtiger Abwägung (wörtlich) der in der Literatur beschriebenen Wirkungen mit 10 g Alkohol pro Tag für Frauen und 20 g für Männer angibt. 

Abschließend stellt sich jedoch die Frage, warum klare wissenschaftliche Daten nicht ebenso klar und wissenschaftlich kommuniziert werden. Es drängt sich der Verdacht auf, dass in den Institutionen, die derartige Studien mit öffentlichen Mitteln fördern, mehr und mehr eine „politisch korrekte“ Erwartungshaltung besteht, der sich die Forscher beugen.

Die wissenschaftliche Fachwelt muss sich kritisch fragen, ob und wie weit ein politischer Einfluss auf die Forschung zulässig ist. Eigentlich sollte es umgekehrt sein.

Für den Beirat der DWA: Prof. Dr. Kristian Rett, München (Vorsitzender)

(1) Quellen

Wood et al.: Risk thresholds for alcohol consumption: combined analysis of individual-participant data for 599 912 current drinkers in 83 prospective studies in Lancet 2018; 391: 1513-23

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