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DWA-Symposium auf dem 129. Internistenkongress

Dass Weinkonsum sich in einem Spannungsfeld zwischen Medizin, Prävention und Politik befindet, ist mittlerweile unzweifelhaft. Evidenzbasierte Wissenschaft tritt immer mehr in den Hintergrund und unter Prävention verstehen die meisten Akteure den kompletten Verzicht auf alle alkoholischen Getränke. Das DWA-Symposium scheut nicht von einer anderen Sichtweise zurück – und hat gute Argumente dafür.

Dass wissenschaftliche Evidenz die Grundlage ärztlichen Handelns ist, braucht der Internist und Diabetologe Prof. Dr. Kristian Rett auf einem Internistenkongress nicht besonders zu betonen. Allerdings führe das zunehmende Überangebot an alternativen Fakten und Wahrheiten selbst in seriösen Printmedien und hochrangigen Fachjournalen zu einer Uneindeutigkeit, die die Patienten verunsichert und die es für Ärztinnen und Ärzte immer schwieriger macht, gedanklich und begrifflich Klarheit zu bewahren und klug zu entscheiden. Am Beispiel der sog. Global Burden of Disease Study (GBDS), einer nicht-experimentellen, beschreibenden Korrelationsstudie (Evidenzklasse III/Empfehlungsgrad 0 (!)) zeigte er, wie man 2022 - von der Öffentlichkeit nahezu unbemerkt- eine inhaltliche Kehrtwende vollzogen habe. In der Erstpublikation von 2018 wurden einseitig das Schadenspotenzial des Alkoholkonsums betont, im Rahmen einer linearen Dosisbetrachtung die Existenz der J-Kurve negiert und daraus die Forderung nach globaler Abstinenz abgeleitet..In der Zweitpublikation wurden länderspezifische Aspekte und unterschiedliche Altersgruppen berücksichtigt, was bei identischer Datenbasis diametral andere Ergebnisse und Schlussfolgerungen ergab:

 

  • Die relative Risikokurve ist ab dem 40. Lebensjahr in allen Weltregionen J-förmig.
  • Geringer Alkoholkonsum ist bei Personen mit hohem kardiovaskulärem Risiko mit besseren Gesundheitsergebnissen assoziiert.

 

Damit rückt die GBDS erstmalig vom hegemonialen Abstinenzparadigma ab, erkennt den Nettonutzen des moderaten Alkoholkonsums in Abhängigkeit vom Alter und kardiovaskulären Risiko an und empfiehlt stattdessen Maßnahmen zur Minimierung des Alkoholkonsums bei jungen Erwachsenen. Dies weise in eine vernünftige Richtung, so der Diabetologe, und leitete über zum Hauptthema des Symposiums: Moderater Weinkonsum als Teil nachhaltiger Suchtprävention und proaktiver Drogenpolitik.

Der Moderator und Kardiologe Prof. Dr. Markus Flesch resumierte, dass es im Grunde nicht mehr um die Abstinenzfrage ginge, sondern darum, die junge Generation an verantwortungsvollen Konsum und Substanzmündigkeit heranzuführen. 

Zu diesem spannenden und - auch für Internisten - aktuellen Thema hatte die DWA den renommierten Sucht- und Präventionsforscher Prof. Dr. Michael Klein von der Katholischen Hochschule NRW (Köln) und dem Deutschen Institut für Sucht- und Präventionsforschung (DISuP) gewinnen können. Er machte deutlich, dass der Konsum jeglicher alkoholischer Getränke gelernt sein will, damit es zum Genuss und nicht zum Problem wird. Wein mit seiner tiefen kulturellen Verankerung eignet sich besonders gut dazu. Er bietet der Suchtprävention eine besondere Chance, weil er „besonnener“ und „achtsamer" getrunken werden kann als Bier und Spirituosen und bei den meisten Jugendlichen nicht das klassische Einstiegsgetränk darstellt. Als suchtpräventive Strategie werde dieser Aspekt des moderaten Weinkonsums - besonders in Verbindung mit mediterraner Ernährung - bisher zu wenig genutzt. Auch die Politik setze bei der Prävention weitgehend noch auf „Null Alkohol“, ignoriere die kulturellen Bedeutungen und die Erfahrungen, die die Präventivmedizin gemacht habe. Er fragt: „Wie soll die Jugend den vernünftigen Umgang mit Alkohol lernen?" Hier nennt er vor allem Projekte, wie Lieber schlau als blau, wozu z.B. ein kontrolliertes Trinkexperiment gehöre. Diesen „nüchternen“ Erkenntnissen müsse auch von der Politik noch mehr Rechnung getragen werden.

Prof. Dr. Klein erläutert, dass sich Suchtprävention vorwiegend auf Kinder und Jugendliche beziehen müsse, da die im Jugendalter erworbenen Konsummuster im Wesentlichen erhalten bleiben. Wichtig sei es deshalb, als Jugendlicher Kontrollkompetenzen zu erwerben und diese aufrecht zu erhalten. Hier sei neben dem Elternhaus vor allem die Schule gefordert.

Dies unterstützt voll und ganz die Linie der DWA, die erstens die Jugend der Weinbranche zum verantwortungsvollen Konsum schult und zweitens Wein immer in den Kontext von (mediterraner) Ernährung und gesunden Lebensstilfaktoren setzt.

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