Wirkweisen der Wein-Phenole

Eine wichtige Gemeinsamkeit vieler Zivilisationskrankheiten ist oxidativer Stress. In vielen Pflanzen und insbesondere im Wein findet sich eine große Vielfalt an Antioxidantien, die diesem begegnen.

Die Entstehung der heute häufigen „Zivilisationskrankheiten“ wie Herz- und Gefäßerkrankungen, Krebsleiden und neurodegenerative Zustände ist vielfältig. Es gibt jedoch eine wichtige Gemeinsamkeit: Außer durch chronische Entzündungen werden sie meist durch oxidativen Stress initiiert, begünstigt oder befördert. Darunter versteht man ein Ungleichgewicht zwischen dem Vorkommen aggressiver Moleküle (z. B. freie Radikale, reaktive Sauerstoff- oder Stickstoffmoleküle) in den Körperzellen und -flüssigkeiten und den körpereigenen Abwehrmechanismen. Oxidative Vorgänge sind wesentlich für den Stoffwechsel, die Gesundheit und die Krankheitsabwehr. Doch nehmen sie überhand oder sind die körpereigenen antioxidativen Systeme ungenügend oder erschöpft, dann spricht man von oxidativem Stress.

Pflanzliche Sekundärstoffe: nicht nur antioxidativ
Auch Pflanzen unterliegen stressigen Einflüssen, seien es Trockenheit, Hitze, Insekten- oder Pilzbefall, die zu oxidativem Stress und zu Krankheiten führen können. Zu ihrem Schutz bilden sie eine große Vielfalt an Abwehr- und Schutzstoffen. Im Falle der Weintrauben gehören dazu viele verschiedene phenolische Verbindungen, mit antioxidativen, entzündungshemmenden und weiteren Fähigkeiten. Die Bezeichnung phenolisch bezieht sich auf die chemische Grundstruktur, die diesen Stoffen zugrunde liegt.

Doch auch bei der Weinbereitung und -reifung entstehen Phenole, etwa unter dem Einfluss der Starterkulturen oder im Kontakt mit Holzfässern. Daher verfügt Wein im Vergleich zu Trauben über teils andere und zusätzliche phenolische Verbindungen, die nicht nur seine Stabilität und seinen Geschmack mitbestimmen, sondern auch gesundheitlich relevante Wirkungen entfalten können. Eine aktuelle Übersichtsarbeit fasst das Wissen dazu zusammen.

Weinphenole: vielfältig
Die Phenole des Weines umfassen eine große Gruppe an Substanzen, die sich grob in Flavonoide und Nicht-Flavonoide einteilen lassen. Erstere umfasst wiederum viele Untergruppen (u.a. Flavone, Flavonole, Flavan-3-ole und Anthocyanine). Die Flavonole sind gelbe Pigmente, die in rotem und weißem Wein vorkommen. Das bekannteste heißt Quercetin. Anthocyanine sind die roten Farbpigmente der Trauben, sie sind daher in größeren Mengen in Rotweinen vertreten (20 bis 500 mg/l). Während der Weinreifung werden sie kontinuierlich in ihrer Zusammensetzung und Form verändert.

Flavan-3-ole wie Catechine und Catechingallate, Tannine und Proanthocyanine kommen nicht nur in Tee vor, sie sind auch die häufigsten Phenole im Wein und sie beeinflussen auch seinen Geschmack (z. B. Adstringenz). Zu den Nicht-Flavonoiden gehören vor allem Phenolsäuren und Stilbene. Das bekannteste und am besten erforschte Stilben des Weines ist das Resveratrol, das von den Weinstöcken zur Abwehr von Pilzen (Botrytis) gebildet wird.

Vielfältige Wirkungen
Wein-Phenole verfügen über antioxidative, antientzündliche und die Blutgerinnung hemmende Eigenschaften. Zudem sind sie in der Lage, die Cholesterinwerte im Blut, den Blutdruck und die Gefäßgesundheit sowie den Zucker- und Insulinstoffwechsel günstig zu beeinflussen. Dies alles macht sie zu wichtigen Bestandteilen einer herz- und gefäßschützenden Ernährung. Daher werden auch die Phenole des Weins dafür verantwortlich gemacht, dass sein moderater Genuss im Vergleich zu anderen alkoholischen Getränken mit einer besseren Herz- und Gefäßgesundheit einhergeht.

Gleiches gilt für neurodegenerative Erkrankungen: Da auch sie von oxidativem Stress und chronischen Entzündungen gekennzeichnet sind, scheinen die Wein-Phenole aufgrund ihrer antioxidativen und entzündungshemmenden Eigenschaften zu den positiven Effekten des moderaten Weingenusses beizutragen. Ebenso könnten sie eine geordnete Zellteilung fördern, die Gefäßneubildung hemmen und helfen das Immunsystem zu regulieren und so zum Schutz vor Krebserkrankungen beitragen.

Weitere Studien erwünscht
Trotz des bereits umfangreichen Wissens über die Phenole des Weines, sind weitere Humanstudien nötig. So halten es die Autoren für wünschenswert, mehr Wissen über die Verteilung und die Verstoffwechslung der phenolischen Verbindungen im menschlichen Körper zu sammeln. Auch das Zusammenwirken der Wein-Phenole mit der Darmflora und wie sich dies auf die Bioverfügbarkeit der gesundheitlich interessanten Metaboliten auswirkt, müsse weiter untersucht werden. Die Frage, ob die bei moderatem Weinkonsum in geringer Dosierung aufgenommenen Phenole bereits diese Wirkungen zeigen, ist ebenfalls ein Forschungsansatz.

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Quelle: El Rayess, Y et al.: Wine phenolic compounds: chemistry, functionality and health benefits. Antioxidants 2024;13:1312

 

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