Chronische niederschwellige Entzündungen finden sich bei vielen Zivilisationskrankheiten, vom Übergewicht über Typ-2-Diabetes, nichtalkoholische Fettleber bis hin zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Während ein exzessiver Konsum alkoholischer Getränke das Entzündungsgeschehen eher forciert, fanden etliche Studien bei leichtem bis moderatem Konsum geringere Mengen an Entzündungsmarkern. Aber ist dieser Zusammenhang auch „echt“?
Moderater Konsum: übereinstimmend geringere Entzündungsmarker, trotz variabler Studiendesigns
Moderater Konsum: übereinstimmend geringere Entzündungsmarker, trotz variabler Studiendesigns
Entzündungsreaktionen sind wichtige körperliche Reaktionen, unter anderem zur Abwehr von Krankheitserregern und für die Wundheilung. Doch wenn sie nicht wieder abklingen und chronisch werden, dann sind auch milde (niederschwellige) Entzündungen Teil eines Teufelskreises, der Gewebe und Organe stressen und krank machen kann. Viele der heute häufigen Zivilisationskrankheiten gehen dann auch mit solchen chronischen niederschwelligen Entzündungen einher, messbar unter anderem an erhöhten hsCRP-Werten: Die Abkürzung steht für hochsensitives C-reaktives Protein, ein Eiweiß, das besonders sensibel auf entzündliche Botenstoffe im Körper reagiert.
Spielen alkoholische Getränke eine Rolle?
Da viele Lebensstilfaktoren das Entzündungsgeschehen beeinflussen, wurde unter anderem auch der Einfluss alkoholischer Getränke untersucht. Während man davon ausgeht, dass bei den schädlichen gesundheitlichen Auswirkungen eines exzessiven Konsums verstärkte Entzündungen eine Rolle spielen, fanden sich bei mäßigem bis moderatem Konsum entweder keine Effekte der alkoholischen Getränke oder aber geringere Entzündungsmarker.
Doch wie belastbar und wie einheitlich sind diese Befunde angesichts der Tatsache, dass die Erforschung des Einflusses moderater Trinkmengen vielen Einflussfaktoren unterliegt? Dies fängt bei der Auswahl der Vergleichsgruppe an (Abstinente, Ex-Trinker und/oder gelegentliche Konsumenten), umfasst die für einen moderaten Konsum empfohlenen Mengen, die regional stark schwanken, und reicht bis hin zu weiteren Einflussfaktoren (Covariablen), die in den jeweiligen Studien mit berücksichtigt werden können – aber nicht immer berücksichtigt werden. Dazu gehören soziodemographische Eigenschaften, die körperliche und die mentale Gesundheit sowie weitere Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Ernährung und Bewegung.
„Multiversum“ der Modelle schafft Klarheit
Um diese Frage zu beantworten, nutzte ein australisch-britisches Forscherteam die Daten von gut 3.100 Briten, die in einer bestimmten Woche des Jahres 1970 geboren worden waren und für die Konsumangaben aus dem 36. und 42. Lebensjahr sowie eine Messung des hsCRP im 46. Lebensjahr vorlagen. Dazu kamen neue statistische Methoden und Modellierungen (sog. Multiversum- und Effekt-Vibrations-Analysen) zum Einsatz: Man rechnete damit alle möglichen Kombinationen der Einflussfaktoren, Trinkmuster, Zeiträume und Empfehlungen zum moderaten Konsum durch. So kam man auf insgesamt 1.248 verschiedene Berechnungen.
Würden sie zu einheitlichen Aussagen kommen? Wenn ja, wäre der Zusammenhang zwischen einem leichten bis moderaten Konsum alkoholischer Getränke und geringeren Entzündungsmarkern (hier: hsCRP) robuster belegt. Zwar wäre auch damit noch kein kausaler Zusammenhang bewiesen, doch man käme ihm näher als es die bisherigen Beobachtungsstudien erlauben.
Moderater Konsum: durchgängig geringere Entzündungswerte
Die Mammutauswertung der Daten führte zu mehreren Einsichten:
- Die beste Vergleichsgruppe sind nicht die lebenslang Abstinenten und/oder die Ex-Konsumenten, denn davon gibt es zu wenige. Besser ist es, die gelegentlichen Konsumenten (hier: weniger als einmal pro Woche) zum Vergleich heranzuziehen.
- Egal, welche Empfehlungen zum moderaten Konsum zugrunde gelegt wurden (spanische, englische, amerikanische oder niederländische): Bei leichtem bis moderatem Konsum fanden sich stets geringere hsCRP-Werte als bei gelegentlichen Konsumenten.
- Egal, welche und wie viele Einflussfaktoren (Covariablen) berücksichtigt wurden: Bei leichtem bis moderatem Konsum fanden sich stets geringere hsCRP-Werte als bei gelegentlichen Konsumenten.
- Egal, ob die Konsumdaten gemittelt oder einzeln berechnet wurden oder ob nur der maximale Konsum in die Rechnungen einfloss: Bei leichtem bis moderatem Konsum fanden sich stets geringere hsCRP-Werte als bei gelegentlichen Konsumenten.
- Bei einem Konsum, der über den als moderat empfohlenen Mengen lag, waren die Zusammenhänge dagegen nicht mehr eindeutig.
Die Unterschiede zur Gruppe der gelegentlichen Konsumenten waren zwar nicht sehr groß, jedoch meist signifikant. Somit darf der günstige Zusammenhang zwischen leichten bis moderaten Trinkmengen und geringeren Entzündungsmarkern bei mittelalten Personen als „robust“ angesehen werden.
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Quelle: Visontay, R et al.: A comprehensive evaluation of the longitudinal association between alcohol consumption and a measure of inflammation: Multiverse and vibration of effects analyses. Drug and Alcohol Dependence 2023;247:109886