Immer wieder wird diskutiert, ob die bei moderatem Konsum alkoholischer Getränke verringerten Risiken für Herz- und Gefäßerkrankungen „echt“ sind oder durch methodische Fehler der Studien zustande kommen. Dies zu klären ist wichtig, denn Herz- und Gefäßkrankheiten sind weltweit die Todesursache Nummer 1.
Moderater Konsum: unabhängiger „Nutzfaktor“ bei Herz- und Gefäßerkrankungen
Im Wesentlichen werden zwei Kritikpunkte an den Studien vorgetragen, die vorteilhafte Assoziationen zwischen einem leichten bis moderatem Konsum alkoholischer Getränke und der Herz- und Gefäßgesundheit fanden: Die Auswahl der Vergleichsgruppe sowie eine unzureichende Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren. Werden beispielsweise ehemalige mit moderaten Konsumenten verglichen, könnten Letztere gesundheitlich besser abschneiden, weil die Ex-Trinker krankheitsbedingt den Konsum eingestellt haben. Zudem ist bekannt, dass sich auch der sozioökonomische Status und andere soziale Gegebenheiten auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken. Aus diesem Grund ging ein US-amerikanisches Wissenschaftsteam diesen Punkten nach, suchte nach der besten Vergleichsgruppe und bezog eine Vielzahl von Einflussfaktoren in seine Analysen ein.
Beste Vergleichsgruppe: sehr niedriger Konsum
Dazu untersuchte und befragte man eine zufällig getroffene Auswahl von 908 Vietnam-Veteranen zwischen Mitte 50 und Mitte 60, die an einer Studie der Harvard-Universität zum Drogenkonsum teilgenommen hatten und die zu Studienbeginn keine Anzeichen einer Herz- oder Gefäßkrankheit zeigten. Die Mehrheit (80 %) der fast ausschließlich weißen Männer unterschieden sich nicht von anderen US-Amerikanern ihrer Altersgruppe im Gesundheitszustand und im Lebensstil. Sie wurden gewogen und gemessen, ihnen wurden Blut abgenommen, um Blutfett- und Cholesterinwerte zu bestimmen, ihr Blutdruck wurde ermittelt und sie wurden zu Lebensstilfaktoren wie dem Rauchverhalten, zur körperlichen Aktivität, zum Obst- und Gemüsekonsum sowie zu ihrem Konsum alkoholischer Getränke befragt.
Anhand ihrer Angaben wurden die Teilnehmer in sechs Konsumgruppen eingeteilt, von Abstinenten und ehemaligen Konsumenten über solche mit einem unregelmäßigen, sehr geringen (1 bis 4 Drinks), mit leichtem (5 bis 14 Drinks) und moderatem (15 bis 28 Drinks) Konsum in den letzten zwei Wochen bis hin zu jenen, deren Konsumverhalten mit mehr als 28 Drinks pro zwei Wochen als riskant eingestuft war. Ein Standarddrink entspricht in den USA 14 Gramm Alkohol und damit etwa 125 ml Wein. Nachdem sich gezeigt hatte, dass sich sowohl Abstinente als auch ehemalige Konsumenten im Gesundheitszustand deutlich von den anderen Teilnehmern unterschieden, nicht jedoch die Gruppe mit dem unregelmäßigen, sehr geringen Konsum, wurde letztere als die am besten geeignete Vergleichsgruppe ausgewählt.
Drei Risiko-Skalen sprechen für leichten bis moderaten Konsum …
Die Teilnehmer-Daten wurden nun in drei verschiedene Risikorechner zur Ermittlung des 10-Jahres-Risikos für kardiovaskuläre Erkrankungen eingegeben: In die sogenannte ASCVD-Skala (Atherosclerotic Cardiovascular Disease) und die Framingham-Skala gehen insbesondere Alter, Geschlecht, Rauchen, Diabetes und die Cholesterinwerte ein, während für die dritte Skala neben den Blutfettwerten auch der Taillenumfang und der Nüchternblutzucker entscheidend sind (Metabolisches-Syndrom-Skala).
Es zeigte sich, dass – im Vergleich zum geringsten Konsum – ein leichter bis moderater Konsum alkoholischer Getränke (5 bis 28 Drinks in zwei Wochen) in allen drei Skalen mit verringerten Risiken einherging. Diese Assoziation blieb auch dann erhalten, wenn der sozioökonomische Status, das Maß an sozialer Unterstützung, Härten in der Kindheit, der Gesundheitszustand oder auch ein früherer Alkoholmissbrauch als weitere Einflussfaktoren berücksichtigt wurden. Das heißt: Die Risikominderung ist unabhängig von den genannten weiteren Einflussfaktoren auf die Konsummuster zurückzuführen.
… und für den Wein
Zwar erhob diese Studie keine Trinkmuster, aber die Teilnehmer waren nach ihren Getränkepräferenzen befragt worden. Fast alle (97 %) hatten auch eine Präferenz, wobei die meisten Bier bevorzugten, gefolgt von Wein und Spirituosen. Von allen Getränken schnitt der Wein am besten ab: Regelmäßiger Weingenuss ging in allen drei Scores am häufigsten mit signifikant verringerten Risiken für Männerherzen und -gefäße einher.
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Quelle: McEvoy, KL et al.: Moderate alcohol use is associated with reduced cardiovascular risk in middle-aged men independent of health, behavior, psychosocial, and earlier life factors. Nutrients 2022;14:2183