Ein Artikel, der untersucht, wie neutral Studien zum Konsum von alkoholischen Getränken sind.
Beeinflusst die Wirtschaft Studien?
Im Speziellen ist hier gemeint, ob der Geldgeber einer Studie sich inhaltlich einmischt oder versucht, die Ergebnisse in eine gewünschte Richtung zu leiten. Da die überwiegende Mehrzahl der Studien zum moderaten Konsum alkoholischer Getränke positive gesundheitliche Auswirkungen fand (Ausnahmen: Darm- und Brustkrebs), wird auch hier immer wieder über die Möglichkeit des Sponsoren-Bias diskutiert.
Erste umfassende Analyse des Sponsorings
Bislang gab es dazu praktisch keine Daten. Eine holländische Forschergruppe schloss diese Erkenntnislücke nun, indem sie sich die Studien vornahm, die zu den offiziellen Trinkempfehlungen in den Niederlanden, in den USA, in Skandinavien, Frankreich und Australien geführt hatten. Dazu werteten sie die Studien aus den fünf zugrunde liegenden Meta-Analysen aus. Da diese jedoch alle vor 2007 erschienen waren, ergänzte man die Liste der Studien um weitere Arbeiten aus zwei neueren Meta-Analysen. Am Ende flossen 386 Beobachtungsstudien in die Analyse ein: Sie hatten alle nach einem Zusammenhang zwischen einem moderaten Konsum alkoholischer Getränke und 14 gesundheitsrelevanten Endpunkten geforscht: von der die Gesamtsterblichkeit über die Sterblichkeit an und das Auftreten von verschiedenen Herz- und Gefäßerkrankungen, bis hin zum Risiko für Typ-2-Diabetes, Demenz und sechs verschiedenen Krebserkrankungen.
Von diesen 386 hatten 21 Studien (5,4 %) finanzielle Unterstützung von der Alkoholindustrie erhalten. Bei 56 (14,5 %) Studien war das Sponsoring nicht nachvollziehbar. 309 Studien (80,1 %), also der weitaus überwiegende Teil, hatten keine finanzielle Unterstützung von Industriebereichen erhalten, die einen Vorteil von positiven Ergebnissen hätten haben können. Noch interessanter ist vermutlich die Erkenntnis, dass sich kein Einfluss der Industrie auf die Studienergebnisse finden ließ. Im Gegenteil: Im Trend erbrachten die gesponserten Studien sogar eher Ergebnisse, die weniger deutlich für einen moderaten Konsum sprachen. Anders gesagt: Die nicht gesponserten Forschungen hatten eher noch positivere Gesundheitseffekte bei moderatem Konsum gefunden.
In die Bias-Falle getappt?
Wer auch das Kleingedruckte dieser Publikation liest, sieht, dass die Mehrheit der Studienautoren mit der niederländischen Brauwirtschaft in Verbindung stehen. Sind die Autoren also selbst in die Sponsoren-Bias-Falle getappt? Die äußerst umfangreiche und ausführliche Publikation ihrer Daten – zusammen mit dem Anhang umfasst die Studie über 100 Seiten – spricht dagegen. Denn diese offene Kommunikation der den Analysen zugrundeliegenden Daten erlaubt es, dass andere Forscherteams sie leicht überprüfen und nachvollziehen können. So funktioniert Wissenschaft.
Quelle: Vos, M et al.: Exploring the Influence of Alcohol Industry Funding in Observational Studies on Moderate Alcohol Consumption and Health. Advances in Nutrition, doi: 10.1093/advances/nmaa052,
online publiziert am 11.5.2020