Kolumne
NACHGEFORSCHT

Wissenschaftlicher Überblick

Kolumne Nachgeforscht Juli 2017

Alkoholisches und Gehirn - Kühlen Kopf bewahren.

Ist Ihnen auch schon passiert, dass Sie auf dem Weg in den Keller vergessen haben, was Sie dort holen wollten? Kleine Zweifel an meiner Steuerzentrale muss ich eingestehen. Auch deshalb schenke ich den Presseberichten zu einer Studie über Funktion und Struktur des Gehirns von der Universität Oxford besondere Aufmerksamkeit.  

Wein und Gehirn – eine Steilvorlage für überzeugte Abstinenzler ebenso wie für nicht weniger überzeugte Genießer. Beide versprechen ihren grauen Zellen die beste Pflege, die einen durch Meidung jedes Moleküls Ethanol, die anderen durch ein paar Gramm davon, am besten verpackt in einem Viertel Wein.

Dass sich Gehirnzellen mit ständigem Zuviel verabschieden, ist unbestritten. Nach den britischen Forschern sollten nun aber auch schon kleine Mengen dem Gehirn zusetzen. Zu diesem Schluss führten Daten von 555 Personen, die über 30 Jahre fünfmal hinsichtlich ihrer kognitiven sprachlichen Leistungsfähigkeit getestet wurden und die Angaben zu ihrem Alkoholkonsum gemacht hatten. Am Studienende fertigte man einen Hirn-Scan an zur Volumenbestimmung des Hippocampus, der zentralen Schaltstelle des Gedächtnisses und Lernzentrums.

Ergebnis:
Diejenigen, die über Jahre hinweg mehr als 240 Gramm Alkohol pro Woche getrunken hatten, zeigten erwartungsgemäß kleinere Hippocampus-Maße als die Abstinenzler. Aber erstaunlicherweise auch jene, die mit 116 und 168 Gramm Alkohol pro Woche der Definition nach moderat konsumierten. Parallel dazu büßten die Alkoholkonsumenten unabhängig von der getrunkenen Menge im Wortschatz und Sprachvermögen über die Jahre deutlich ein.

Die Forscher betonen selbst, dass mit ihrer Beobachtungsstudie keine Rückschlüsse auf Ursachen und Wirkung möglich seien. Auch verwiesen sie auf die geringe Zahl der Probanden und nur 37 Vergleichspersonen. Dies hielt sie aber nicht davon ab, ihre Studie mit „Moderater Alkoholkonsum als Risikofaktor für Hirnveränderungen und Abnahme der kognitiven Fähigkeiten“ zu titeln, was die Presse mit „Schock: Darum schädigt schon wenig Alkohol das Gehirn dramatisch“ übersetzte.

Bei allem Respekt vor Oxford, dies verarbeitet mein Gehirn nicht. Es hat zudem Probleme damit, wie man aus nur EINEM Hirn-Scan am Ende von 30 Jahren etwas über Veränderungen im Hippocampus sagen kann. Wo doch bekannt ist, dass es gerade bei diesem Hirnareal große individuelle Unterschiede gibt und das Volumen durch Sport oder emotionale Bindungen positiv beeinflussbar ist, aber auch durch Krankheiten schrumpfen kann.

Eine weitere Grenze meines Auffassungsvermögens ist damit erreicht, dass die Wissenschaftler den WOCHENkonsum ermittelten, ohne Getränkeart und Trinkmuster zu beachten. Dies mag vielleicht den ungesunden Trinkgewohnheiten in Großbritannien geschuldet sein. So ist es für Leber- und Gehirnzellen eine mörderische Attacke, wenn 168 Gramm Alkohol innerhalb kurzer Zeit getrunken werden, ein Genuss allerdings, wenn sich diese sich auf ein Glas Wein siebenmal in der Woche verteilen.

Mir fehlen die Worte. Ob dies der Studie oder meinem täglichen Viertele geschuldet ist, lasse ich offen. Beim Gang in den Keller habe ich jedenfalls noch nicht vergessen, dass ich uns heute zum Abendessen eine Trittenheimer Apotheke holen wollte.

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