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NACHGEFORSCHT

Wissenschaftlicher Überblick

Kolumne Nachgeforscht Oktober 2020

Alkoholfrei - eine Chance? Ein Artikel über den (möglichen) Trend zu alkoholfreien Weinen.

Mein Seminar im neuen dualen Studiengang „Wein-Technologie-Management” in Weinsberg endet. Endlich mal nicht online. Ich erfreue mich sowohl an den netten Studenten als auch an meinen flüssigen Blumen: Einen tollen Sekt und einen alkoholfreien Wein vom Staatsweingut vor Ort. Das passt gut. Am Wochenende kommen befreundete Weinkenner – da werden wir beides mal gemeinsam testen.

Im Hinterkopf habe ich den früher oft verwendeten sensorischen Vergleich mit den eingeschlafenen Füßen. Und eben dieser, der Geschmack, ist laut einer aktuellen Untersuchung mit 16.883 Personen die wichtigste Konsumbarriere bei alkoholfreiem Wein. Ein Drittel der Befragten denke, alkoholfreier Rot- und Weißwein schmeckten nicht. Wenn das mal keine Steilvorlage für eine Qualitätsoffensive ist.

Gesamtproduktion der alkoholfreien Getränke steigt
Das Bier hat es uns vorgemacht. Mittlerweile kennen 80 Prozent alkoholfreies Bier, das acht Prozent an der Gesamtproduktion erreicht - stetig ansteigend. Weil es schmeckt und als Durstlöscher nicht nur en vogue ist. Obwohl es beim Gerstensaft etwas einfacher ist, da es natürlich einen Unterschied macht, ob ich fünf Prozent Alkohol entziehen muss oder mehr als doppelt so viel.

Bei alkoholfreiem Sekt geht es aber doch auch. Da spielt allerdings die Kohlensäure dem Geschmack in die Karten; denn diese hilft, die Unterschiede zum Original nicht allzu groß werden zu lassen. Jedenfalls schmeckt er. 53 Prozent kennen ihn und die alkoholfreie Variante macht schon fünf Prozent der Gesamtproduktion aus – ebenfalls steigend.

Warum sollte dies bei Wein nicht gehen? Man hört oft: Dann trinkt doch einfach Traubensaft. Warum das ganze Brimborium mit Dealkoholisierung? Berechtigte Einwürfe, aber Traubensaft hat 150 bis 200 Gramm Zucker pro Liter; das ist für viele viel zu viel. Dazu fehlen die Sekundäraromen, diejenigen, die erst während der Gärung gebildet werden. Ist halt Saft, kein Wein.

Nur 12 bis 15 Prozent sind alkoholfreie Rot- bzw. Weißweine bekannt, unter einem Prozent liegt der Produktionsanteil. Da ist noch Luft nach oben. Und moderne Technik macht´s möglich, schonend und damit geschmackserhaltend zu entalkoholisieren. Egal ob mit Dünnschichtverdampfung oder Spinning Cone Column – Hauptsache mit einem Vakuum, weil darin Alkohol schon bei niedrigen Temperaturen verdampft und gleichzeitig die Aromen erhalten bleiben.

Man muss die Verbraucher dort abholen, wo sie sind. Alkoholfrei liegt im Trend. Nicht nur Start ups sondern auch alteingesessene Erzeuger sind auf den Zug gesprungen, zumal es alkoholfreie Alternativen auch schaffen, neue Weintrinker zu generieren.

Warum alkoholfrei?
Das wichtigste Motiv, auf alkoholfrei umzusteigen, ist laut Umfrage mit ca. 50 Prozent die Teilnahme am Straßenverkehr. Zudem gab etwa ein Drittel der Befragten „Geselligkeit“ an und „um nicht so schnell betrunken zu werden“ sowie „genereller Verzicht“ auf Alkohol. Darin liegt eine große Chance.

Auch uns „Generell-Wein-mit-Alkohol-Trinkern“ würde der Genuss einer alkoholfreien Alternative zu bestimmten Anlässen gut stehen: Im Straßenverkehr ist man „mit ohne“ eh gut beraten. Oder wenn die neuen Nachbarn, Syrer islamischen Glaubens, zu Besuch kommen. Aber auch, wenn man mal keine Lust auf Alkoholisches hat oder der Abend zu lang ist, man schon mehr als zwei Gläser getrunken hat und am nächsten Morgen noch wissen will, dass auch das „letzte Glas“ kein schlechtes war,

Nach 30 Prozent der Befragten seien wichtige Konsumbarrieren neben dem Geschmack das fehlende Angebot. Das ließe sich ändern. Die deutschen Winzer müssen einfach was wagen. Die Alkoholfreien, die jetzt schon verfügbar sind, kann man nicht nur trinken, sie schmecken auch. Und was spricht dagegen, für jeden und jede Gelegenheit, einen Wein zu haben?

Im Übrigen, was sagen meine Freunde zu der alkoholfreien Variante aus Weinsberg? Der erste Schluck: Gar nicht so übel, der zweite: eigentlich ganz gut, der dritte: eigentlich richtig gut. Besser Wein ohne als gar keinen Wein.

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