Pioniere/innen
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Anthus, Antonius

* 1802 Nürnberg; † 1853 Nürnberg

„Man kann wohl, sehr wohl, ohne Wein zu trinken, essen,
man sollte aber niemals Wein trinken, ohne etwas dazu zu essen.“

Der Nürnberger Antonius Anthus hieß eigentlich Gustav Blumröder. Er war ein deutscher Arzt, Politiker und Schriftsteller. Er studierte in Erlangen zuerst Theologie, wechselte dann aber zur Medizin, wurde mit der Arbeit „De hypnoticis“ promoviert, sammelte Berufserfahrungen in diversen Spitälern und Irrenanstalten in Berlin, Wien und Paris. Stationen seines weiteren beruflichen Wegs waren Armen-, Spital- und Gerichtsarzt. Er veröffentlichte eine Reihe von psychiatrischen Abhandlungen.

Er gehörte zu den Pionieren der deutschen Demokratie, denn er war Abgeordneter des ersten deutschen Parlaments, der Frankfurter Nationalversammlung 1848. Dieses politische Engagement kostete ihn seinen Job als Gerichtsarzt, nachdem der Freiheitsfunken verflogen und die alten Kräfte wieder am Ruder waren!

Was spricht dafür, ihn zu den Pionieren der deutschen Weinkultur zu zählen?
All dies hätte uns nicht veranlasst, ihn als Pionier der Weinkultur zu betrachten, hätte er nicht unter dem Pseudonym Antonius Anthus literarisch gearbeitet. Darunter zwölf unterhaltsame Vorlesungen über „Esskunst“, erstmals 1838 erschienen und bis heute immer wieder neu aufgelegt. Unter den zwölf amüsanten Vorlesungen über die „Esskunst“ ist auch eine vom Trinken. Darin enthalten sind bemerkenswerte Kernsätze, die auch heute noch gelten. Wie allerdings nicht anders zu erwarten, finden sich in seiner Vorlesung auch Positionen, die heute überholt sind, die man aber mit einem Schmunzeln zur Kenntnis nehmen sollte.

Anthus beschäftigte sich in der elften Vorlesung „Vom Trinken“ zunächst mit der Frage, ob man beim Essen überhaupt Getränke zu sich nehmen soll. Er berichtete von konträren Stellungnahmen verschiedener „Autoritäten“ der damaligen Zeit. Seine salomonische Antwort: „Wem's schmeckt und wohlbekommt, der soll trinken, aber eingedenk der einfachen Wahrheit, dass beim Essen das Essen die Hauptsache bleibt.“ Trotz seiner demokratischen Grundhaltung lehnte er offenbar beim Tisch eine Gleichbehandlung von Speisen und Essen ab.

Anschließend kam er zur wichtigen Frage, was man bei Tisch trinken soll:

Alternative 1: Wasser. Anthus sah viele Anlässe, im Alltag Wasser zu trinken, aber als Begleiter eines stilvollen Essens (abgesehen für Kinder, junge Leute, Kranke) war Wasser für ihn unvorstellbar.

Alternative 2: Bier zu Tisch. Obwohl Anthus über den Tag gerne mal ein Bier trank, ging Bier als Begleiter eines gesitteten Essens für ihn überhaupt nicht: „Biertrinken über Tisch scheint mir nahe am Gipfel des Ungeschmacks und barbarischer Rohheit zu liegen“.

Alternative 3: Schnaps als Essensbegleiter, was Anthus in „Rußland und hie und da in Norddeutschland“ beobachtet hatte, lehnte er kategorisch ab.

Alternative 4: Wein als Begleiter eines guten Essens. Klare Ansage von Anthus: „Leicht und gleich gesagt ist aber: man soll Wein trinken.“

Weiterhin betrachtete Anthus in seiner Vorlesung die Vielfalt der Weine und die Mannigfaltigkeit der damaligen Trinkempfehlungen zum Essen und kam zu einigen bemerkenswerten allgemeinen Schlussfolgerungen. Dabei gleicht seine Vorlesung einem Knigge des anständigen Essens: Er empfahl, die Gläser nicht zu voll zu schenken. Nicht trinken, wenn man Essen im Mund hat. Sich beim Essen auf das Essen, beim Trinken auf das Trinken konzentrieren. Dies war der sachliche Hintergrund für seine nächste Empfehlung, die alleine gelesen geradezu philosophisch anmutet:

 „Am besten schmeckt der Wein, wenn man ihn in der Absicht trinkt, sich ihn schmecken zu lassen.“

Mit seiner nächsten Empfehlung warf er eine Kernfrage der Weingenusskultur auf:

„Man kann wohl, sehr wohl, ohne Wein zu trinken, essen, man sollte aber niemals Wein trinken, ohne etwas dazu zu essen.“

Anthus beschäftigte sich auch bereits mit der Harmonie von Weinen und Speisen. Er sprach von „wahlverwandschaftlichen Verhältnissen gewisser Weine zu gewissen Speisen“ und brachte Beispiele dafür, was nach seiner Auffassung geht oder nicht geht:

 „ […] dass man zu Schweinefleisch guten alten Wein trinken sollte, damit eine gewisse Ergänzung und übereinstimmende Einheit in die Sache kommt. Wenn man kalten, trockenen Rehbraten isst, wird man deutlich die Forderung nach Rheinwein oder Burgunder in sich verspüren. […] Austern und Champagner werden sprichwörtlich so unzertrennlich gedacht, wie Glauben und Hoffnung. […] Suppen, mit Ausnahme der Schildkrötensuppe, schließen alles Trinken aus.“

Anthus äußerte sich geradezu philosophisch mit der angemessenen Trinkmenge und mit dem übermäßigen Trinken:

„Es ist nicht gut und schön, mehr zu trinken, als man verträgt, wer also wenig verträgt, trinke nicht viel; woraus aber nicht nothwendig folgt, dass der, welcher viel verträgt, gerade auch viel trinken solle. […] Trinke weder allzu langsam, noch zu geschwinde, sondern fein ehrbar und sittsam, nicht wie die Säufer, die den Wein oder Bier nur in sich gießen.“

Als Pionier der Weintischkultur zeigte sich Anthus mit seiner eingehenden Betrachtung der Trinkgefäße. Er war überzeugt, dass „aus einem schönen Glas getrunken, der Wein besser schmeckt“ und betonte, dass die Trinkgefäße durchsichtig sein müssen, um die Farbe des Weins erkennen zu können. Denn dies sei wichtig für den Wohlgeschmack: „Man trinkt die Farbe auch mit“. Er lehnte deshalb die (damals) beliebten grünen Römergläser und andere undurchsichtige Trinkgefäße ab.

Kritisch setzte sich Anthus am Schluss seiner Vorlesung mit bestimmten Unsitten auseinander, zu denen er Trinklieder bei Tisch, das sog. „Auf-Jemands-Gesundheit-Trinken“ und das „Du-Anbieten“ beim Trinken zählte. Nur nebenbei: am Schluss der Vorlesung gab es für seine Zuhörer keinen Wein, sondern schwarzen Kaffee.

 

Wer sich mit Dr. Blumröder bzw. Antonius Antus und mit seinen Vorlesungen näher beschäftigen will, dem empfehlen wir:  

Quellen
  • Antonius Anthus: „Vorlesungen über Esskunst“, Otto Wigand, Leipzig (1838); digitalisiert.

  • Die Internetseite der Gemeinde Kirchenlamitz, die ihren bekanntesten Bürger in hohen Ehren hält.

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