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Vor (tatsächlich) 100 Jahren…

Weinsteuer, Weinpropaganda und Antialkoholbewegung
Nach dem Ersten Weltkrieg und nach der Besetzung des Rheinlandes durch die Franzosen entwickelte sich eine Existenzen bedrohende Absatzkrise im deutschen Weinbau. Teile der bisherigen (rechtsrheinischen) Absatzgebiete waren für die linkrheinischen Winzer abgeschnitten. Hinzu kamen dann die allgemeine Wirtschaftskrise und die galoppierende Inflation in den frühen 1920er Jahren. Die Weinbranche kämpfte gegen die Steuerlast – der Sturm der Moselwinzer auf das Finanzamt in Bernkastel im Jahr 1926 hatte Symbolkraft.

Zur Behebung der Winzernot wurde daraufhin im Jahr 1926 eine Weinpropaganda-Organisation geschaffen. Dies ist nicht neu. Kaum bekannt ist jedoch, dass zur Förderung des Weinabsatzes im In- und Ausland bereits 1921, also vor 100 Jahren ein Weinpropaganda-Ausschuss ins Leben gerufen worden war. Der Ausschuss war mit gleich vielen Vertretern des Weinbaus und Weinhandels besetzt. Am 8. November 1921 kam der Ausschuss in Mainz erstmals zusammen. Aus Gründen der Zweckmäßigkeit wurde sein Aufgabenkreis zunächst enger gezogen als ursprünglich geplant. Er hatte sich in erster Linie zur Aufgabe gemacht, die Auswüchse der Antialkoholbewegung zu bekämpfen, deren Ausbreitung seit Jahren von der Weinbranche mit Sorgen verfolgt wurde.

Vollständige Trockenlegung Deutschlands gefordert
Vor fast genau 99 Jahren, am 8. Juni 1922, befasste sich der Vorstand des Deutschen Weinbauverbandes mit der Thematik. Er stellte fest, dass auch in Deutschland, angefacht und unterstützt durch zugewanderte Fanatiker aus dem Ausland, immer aggressiver eine Propaganda gegen den Konsum von Wein und anderen alkoholischen Getränken zu beobachten sei. Die Alkoholgegner hätten die vollständige Trockenlegung Deutschlands auf ihre Fahnen geschrieben. Deshalb sei größte Vorsicht geboten! Weinbau und Weinhandel müssten dieser Antialkoholbewegung rechtzeitig und energisch entgegentreten. Der gemeinsame Ausschuss von Weinbau und Weinhandel sei hierfür in besonderer Weise geeignet. Zudem könne dort das gegenseitige gute Einvernehmen zwischen Weinbau und Weinhandel zu gepflegt und alle gemeinsamen Interessen besprochen werden, wurde verlautbart.

Die Intensität der Antialkoholbewegung und die Reaktionen aus der Weinbranche sind umso bemerkenswerter, wenn man sich den damaligen jährlichen Wein-Pro-Kopf-Verbrauch ansieht: 1919 lag er nach offiziellen Angaben bei 1,7 Liter und 1920 bei 4,3 Liter! Selbst wenn man unterstellt, dass die Weinsteuer-Statistik nicht den gesamten Verbrauch erfasst hatte, so sind die Werte im Vergleich zu heute sehr gering. Die deutsche Weinbranche zahlte 1920 vom Weinumsatz, der rund 2,2 Milliarden Mark betrug, rund 430 Millionen Mark, also 20 %, an Weinsteuern. Kein Wunder, dass die Winzer auf die Barrikaden gingen. 

Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang…
Zurück zur Ausschuss-Sitzung am 8. Juni 1922. Es wurde weiter berichtet, dass im Auftrage des Reichsministeriums für Ernährung und Landwirtschaft von der Universum-Film AG mit Unterstützung der weinbautreibenden Kreise zwei Weinfilme hergestellt worden seien. Der eine sei mehr als Lehrfilm gedacht und lege besonderen Wert auf die Darstellung von Weinbauarbeiten, auf die Auswirkungen der Rebschädlinge usw. Der zweite Film behandle mehr die Genüsse und Freuden, welcher der Wein bereitet. Er sei hauptsächlich für das städtische Publikum gedacht. Beide Filme sollten im Laufe des Sommers 1922 der Öffentlichkeit übergeben werden. Ob es dazu gekommen ist, konnten wir nicht feststellen. Im Bestand der Murnau-Stiftung, Archiv und Rechteinhaber eines bedeutenden Teils des deutschen Filmerbes, unter anderem auch der Universum Film AG (Ufa), findet sich kein Weinfilmdokument aus dem Jahr 1922. Wohl aber ein Film aus dem Jahr 1924, der von der Kulturabteilung der Ufa hergestellt worden war. Sein Titel Wein, Weib und Gesang war eine Anlehnung an das angebliche Luther-Wort Wer nicht liebt Wein, Weib und Gesang, der bleibt ein Narr sein Leben lang. Eine Kampfansage an die Alkoholgegner. Weinkultur ist immer auch ein Zeugnis der Zeit.

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Kulturthemen