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Ein Glas Wein zum Abendessen?

Über die Rolle des moderaten Weinkonsums im Kontext eines gesunden Lebensstils wird seit einigen Jahren wieder zunehmend diskutiert, obwohl die Datenlage immer klarer wurde. Zeit für eine Übersicht.

In diesem Newsletter referieren wir über eine „erzählende“ Übersichtsarbeit (narratives Review) zum Thema Wein und Gesundheit. In solchen Reviews stellen WissenschaftlerInnen mit entsprechender Expertise die Erkenntnisse zuvor publizierter Studien zu einem Thema zusammen. Reviews liefern also keine per se neuen Forschungsergebnisse, weshalb sie in der Hierarchie der Evidenzstufen nicht sehr weit oben stehen. Dennoch sind sie Teil der wissenschaftlichen Beweisführung, weil sie dabei helfen, die vorhandenen Daten zu überblicken und sinnvoll einzuordnen. Etwa jene zu der Frage, ob ein Glas Wein zum (Abend-)Essen in gesundheitlicher Hinsicht empfehlenswert ist.

Die evidenzbasierte Perspektive
In die aktuelle Übersichtsarbeit flossen die Forschungsergebnisse der letzten vier Jahrzehnte ein. Sie entstand unter anderem vor dem Hintergrund, dass in der öffentlichen Gesundheitsdiskussion seit einigen Jahren zunehmend das Narrativ vom „no safe level“ kursiert, wonach es keinen risikoarmen oder gar sicheren Konsum alkoholischer Getränke geben soll. 

Wie konnte es dazu kommen? Immerhin zeigt die vorhandene wissenschaftliche Evidenz eindeutig, dass der Zusammenhang zwischen dem Konsum alkoholischer Getränke – und insbesondere von Wein – und gesundheitlichen Risiken bzw. Vorteilen keine lineare, sondern eine J-förmige ist.

Die J-Kurve spricht für moderaten Konsum
In unzähligen epidemiologischen Studien konnte gezeigt werden, dass ein moderater Alkoholkonsum, insbesondere von Wein, für die meisten Menschen nicht nur keine gesundheitlichen Nachteile hat, sondern mit etlichen gesundheitlichen Vorteilen einhergeht: So sind bei moderaten Mengen sowohl gegenüber Abstinenz als auch hohem Konsum Vorteile für die Herz- und Gefäßgesundheit beschrieben. 

Auch die Risiken für andere Erkrankungen, wie beispielsweise Typ-2-Diabetes, und sogar das Sterberisiko sind bei leichtem bis moderatem Konsum am geringsten – nicht bei Abstinenz. Unter einem moderaten Konsum werden üblicherweise bis zu 20 g Alkohol täglich für Frauen und bis zu 30 g Alkohol täglich für Männer verstanden. Dies entspricht 0,2 bis 0,3 Liter eines Weines mit 12,5 Vol.-% Alkohol. Neben der Getränkeart und der Trinkmenge spielen jedoch weitere Faktoren eine Rolle dabei, ob das Glas Wein nützlich ist oder nicht.

Mediterran essen – und trinken
So hat sich insbesondere ein „mediterranes Trinkmuster“ als günstig erwiesen, wie bereits 1992 von Renaud und de Lorgeril im Kontext des französischen Paradoxons beschrieben: Die beiden Forscher hatten beobachtet, dass es vorteilhaft für Herz und Gefäße ist, wenn das Glas Wein im Rahmen einer Mahlzeit genossen wird, so wie es rund ums Mittelmeer üblich ist. Auch diese Beobachtung wurde in neueren Studien bestätigt, die neben der Trinkmenge und der Art der Getränke auch das Trinkmuster untersuchten: Besonders günstig ist es demnach, Wein nicht nur in moderaten Mengen zu konsumieren, sondern gleichmäßig über die Woche verteilt und im Rahmen einer (gesunden) Mahlzeit. Man geht davon aus, dass die vielen antioxidativen und antientzündlichen Polyphenole, die sowohl in mediterranen Speisen, im nativen Olivenöl und im Wein stecken, synergistisch wirken und so nicht nur Herz und Gefäße schützen, sondern auch das Risiko für Krebs und weitere Erkrankungen senken können.

Der moderate Weinkonsum erwies sich in einigen Studien sogar als wesentlicher Bestandteil eines gesunden, mediterranen Lebensstils, neben gesunder Ernährung, angemessener körperliche Aktivität, einem normalen Körpergewicht und dem Verzicht aufs Rauchen. Vor diesem Hintergrund erscheint das immer häufiger propagierte Narrativ vom „no safe level“ bis hin zur Abstinenz für alle als gesundheitlich einzig erstrebenswertes Ziel geradezu grotesk.

Ein Glas Wein zum Essen!
Angesichts der über die Jahrzehnte angehäuften wissenschaftlichen Evidenz kommen auch die Autoren des Reviews, die an den Universitäten von Adelaide (Australien), Split (Kroatien) und Bordeaux (Frankreich) lehren, zu dem Schluss, dass das Glas Wein zum Abendessen Teil einer ausgewogenen Mahlzeit und eines gesunden Lebensstils bleiben kann. Dies gelte insbesondere für Menschen über 50. Sie weisen jedoch auch darauf hin, dass stets die individuellen Umstände zu berücksichtigen sind und dass niemand aus gesundheitlichen Gründen zum Trinken animiert werden dürfe.

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Quelle: Stockley, CS et al.: A glass of wine with my dinner? A narrative. Journal of Epidemiology and Public Health 2025;3:1-11
 

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