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Weinkulturelle Aspekte - April

Kultur ist keine Sache, sondern ein Verhalten
Wir hatten im März darauf hingewiesen, dass nach dem Zweiten Weltkrieg ein radikaler Wandel in der Nutzung des Begriffs „Kultur“ eintrat. Er war verbunden mit einer Abkehr der Geschichtswissenschaften von der bisherigen idealisierenden Nacherzählung der Taten großer Männer. Wie sollte man nach den beiden Weltkriegen, verursacht durch das größenwahnsinnige und irrsinnige Verhalten von Gestalten vom Schlage Wilhelms II. oder noch schlimmer von Hitler und Stalin, am bisherigen historischen und kulturellen Narrativ festhalten? (Nicht alle Potentaten haben aus der Geschichte gelernt: Putin bedient heute noch dieses Narrativ, um seinen Krieg zu begründen.)

Im Zuge dieses Bedeutungs- und Methodikwandels in den Geisteswissenschaften gewannen zuerst die Sozial- und dann die Kulturgeschichte an Bedeutung. Dies löste weitere Veränderungen aus.

Die frühere bildungsbürgerliche Beschreibung der Kultur, die an bestimmten Werken, Bauten, aber auch Personen festgemacht wurde, wurde durch eine postmoderne Betrachtungsweise ersetzt. Dies führte unter anderem zu einer geradezu inflationären Verwendung des Kulturbegriffes, die wir im März betrachtet und uns dabei gefragt hatten, welche Auswirkungen dies auf den Begriff Weinkultur hat. Heute wollen wir uns einen weiteren Aspekt dieses Wandels, zunächst an einigen Beispielen dargestellt, vor Augen führen:

Im älteren Kulturverständnis ging es im kulturellen Leben um die Erhaltung, Einrichtung oder Neugestaltung von Opernhäusern, Theatern und Museen, um Kunstwerke, die man an die Wand hängen oder vor Gebäuden aufstellen konnte. Wir wollen die übrigen künstlerischen Ausdrucksformen von Musik, Literatur etc. nicht vergessen. Natürlich ist diese frühere Kulturinterpretation nicht ausgestorben und diese Kulturformen haben nach wie vor einen wichtigen Stellenwert.

Aber wenn wir heute beispielsweise von „Unternehmenskultur“ sprechen, dann wollen wir nicht darauf hinweisen, welche Gemälde und Kunstwerke in den Räumlichkeiten eines Unternehmers hängen. Vielmehr verdeutlichen wir damit den Umgangsstil, der in dieser Firma herrscht. Wenn wir von „politischer Kultur“ reden, dann denken wir weder an den politischen Gehalt der Literatur noch an eine Politisierung der bildenden Kunst, sondern wiederum an Verhaltensmuster von Politikern. Wenn wir deren „Streitkultur“ ansprechen, dann geht es uns nicht um den Streitinhalt, sondern um den Verhaltensstil der politischen Akteure. Diese Beispiele belegen, dass sich das Bedeutungsspektrum des Kulturbegriffs verschoben hat, weg von Sachen, hin zu Beziehungen und Verhaltensweisen.

DWA steht für weinkulturelles Verhalten

Was sagt uns dieser allgemeine kulturelle Diskurs für die Bedeutung oder Interpretation einer modernen Weinkultur, für eine Orientierung und Nutzung des Begriffs Weinkultur in der heutigen und zukünftigen Kommunikation? Wir wollen das Kind bzw. den Wein nicht mit dem Bade ausschütten. Natürlich ist es wichtig und richtig, dass die Weinbranche traditionelle und moderne Werke (Bauwerke, Kunstwerke etc.) der Weinkultur pflegt, hegt, produziert und kommuniziert. Die Weinakteure sollte aber die postmoderne Interpretation des Kulturbegriffes mehr und mehr in den Fokus ihrer Überlegungen nehmen; nämlich sich mit der Frage der „weinkulturellen Beziehungen“ zwischen Herstellern, Vermittlern und Konsumenten beschäftigen und einen Diskurs führen, was sie unter „weinkulturellen Verhaltensweisen“ verstehen. Und spätestens hier kommt die Deutsche Weinakademie ins Spiel, die sowohl an die Akteure der Weinbranche als auch an die Weinkonsumenten die Botschaft eines moderaten, verantwortungsbewussten Weinkonsums richtet. Wer in der Branche meint, hier wären Spaßbremser am Werk, der hat noch nicht verstanden, dass es um die Neuorientierung des weinkulturellen Verhaltens in einer immer stärker antialkoholisch aufgeladenen politischen Umgebung geht. Vielleicht geht es dabei um eine existenzielle, auf jeden Fall aber um eine substanzielle Frage. Die DWA kann in der deutschen Weinbranche Motor des Diskurses sein, aber die Aufgabenstellung, die weinkulturellen Verhaltensweisen zu diskutieren und abzustecken, richtet sich an alle Akteure.

Autor: Dr. Rudolf Nickenig, Remagen

Erstellt am
Weinkulturelle Aspekte 2022

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