Gesellschafts-
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Bundestag

Fetale Alkoholspektrumstörungen in Deutschland – eine Diskussion mit veralteten Daten

(Stand 25. März 2021)
Die Bundesregierung hat ihre Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion zu Fetalen Alkoholspektrumstörungen in Deutschland veröffentlicht (Drucksache 19/27603). Die FDP hatte ihre Anfrage unter anderem mit folgenden Argumenten begründet: „In Deutschland werden jedes Jahr viele Kinder mit Schäden geboren, die auf Alkoholkonsum der Mutter während der Schwangerschaft zurückzuführen sind. Zwischen 10 000 und 20 000 Neugeborene sind jedes Jahr in Deutschland betroffen, davon rund 2 000 mit einer schweren Form der Schädigung (Drogen- und Suchtbericht 2019 der Drogenbeauftragen der Bundesregierung)“.

Mit der Eingangsfrage wollte die FDP erfahren, wie viele Schwangere alkoholische Produkte konsumieren, und wie sich diese Zahl seit 2010 jährlich entwickelt hat? Aus der Antwort geht hervor, dass der Bundesregierung bzw. dem RKI keine neueren Zahlen als die bereits mehrfach veröffentlichten aus dem Jahr 2012 vorliegen. (Anm.: Es ist sehr bedauerlich, dass immer noch mit diesen veralteten Zahl gesundheitspolitisch argumentiert wird. Neuere Daten wären dringend erforderlich!) Denn eine im Auftrag des BMG im Jahr 2017 durchgeführte repräsentative Befragung von forsa Politik- und Sozialforschung GmbH zum Thema Alkoholkonsum und Schwangerschaft hatte laut Bundesregierung ergeben, dass eine deutliche Mehrheit der Befragten (89 Prozent) der Ansicht ist, dass Alkohol während der Schwangerschaft generell problematisch ist. Der Anteil der Befragten, die glauben, dass Alkohol in der Schwangerschaft schlimmstenfalls zu lebenslangen schweren Behinderungen beim Kind führen kann, ist von 56 Prozent im Jahr 2014 deutlich auf 70 Prozent im Jahr 2017 angestiegen. (Anm.: Die Untersuchung zeigte also wesentliche Verbesserungen innerhalb von drei Jahren auf. Aber auch diese Untersuchung ist schon wieder vier Jahre alt!) Bei der Bedeutung der Thematik ist es sehr bedauerlich, dass die Bundesregierung auf die Frage nach der Anzahl der FAS-Geburten antworten musste: „Verlässliche Zahlen aus Deutschland zur Prävalenz des Fetalen Alkoholsyndroms (FAS) oder Fetalen Alkoholspektrumstörungen (FASD) liegen nicht vor. Studien zur Prävalenzschätzung von FAS in Europa bewegen sich zwischen 0,2 und 8,2 pro 1 000 Geburten. Laut Schätzungen von Experten ist von mindestens 2 000 Kindern mit FAS pro Jahr in Deutschland auszugehen. Das Vollbild des FAS tritt nach Expertenschätzung nur bei rund 10 Prozent aller Kinder mit pränatalen Alkohol-Folgeschäden auf. Damit liegen die Prävalenzzahlen für Kinder mit FASD deutlich höher.“ (Anm.: Unser Hinweis auf das Alter von verwendeten Zahlen, auf das Ausweichen auf Schätzungen, auf die Nichtberücksichtigung der inzwischen eingetretenen Änderungen von Kenntnissen und des Problembewusstseins bei Schwangeren dient nicht dazu, dass Problem zu verharmlosen, sondern unterstreicht die Notwendigkeit, zu einer sachgerechten Einordnung der Problematik mit aktuellen Zahlen zu kommen.)

Die Fragen und Antworten der Kleinen Anfrage der FDP sind im Internet zu finden.

Digitalisierung des Schulunterrichts und Suchtprävention – ein „weiches“ Thema?

(Stand 25. März 2021)
Die BZgA hat ein Projekt Auswirkungen von Covid-19 auf die Suchtprävention in Deutschland – Chancen und Risiken einer stärkeren Digitalisierung in Auftrag gegeben, wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekannt gab (Drucksache 19/27807 vom 23.3.2021). Die aktuelle Situation der Corona-Pandemie, im Speziellen die Belastungen durch Beschränkungen sozialer Kontakte sowie durch den Lockdown, schränken - so die Bundesregierung - die Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche deutlich ein. Unter diesen Bedingungen sei anzunehmen, dass für sogenannte „weiche“ Themen wie Suchtprävention, ohne feste Verankerung im Schulcurriculum oder in einem Unterrichtsfach, noch weniger Platz als zuvor bleibe. Dem gegenüber stehe die Annahme, dass psychische Belastungen und damit einhergehendes riskantes Verhalten (besonders Alkoholkonsum, auch Onlinespiele/-wetten) aktuell eher ansteigen. Das Ziel der Untersuchung (Zuwendungsprojekt, Institut für interdisziplinärer Sucht- und Drogenforschung, Hamburg) bestehe darin zu prüfen, auf welchen Wegen die Suchtprävention ihre - vor allem digitale - Angebote verbessern könne.

FDP-Fraktion für kontrollierte Cannabis-Freigabe als Gesundheits- und Jugendschutzmaßnahme

(Stand 24. März 2021)
Die FDP-Fraktion hat einen Gesetzantrag in den Deutschen Bundestag eingebracht, mit dem Ziel, Cannabis zu Genusszwecken kontrolliert an Erwachsene abgeben – Gesundheits- und Jugendschutz stärken (Drucksache 19/27807 vom 23. März 2021). Die ersten Sätze der Begründung lauten: „Wie jede andere Droge auch, kann der Konsum von Cannabis Gesundheitsgefahren für Konsumenten bergen. Diese sind jedoch in der Regel wesentlich geringer als die Gesundheitsgefahren, die von den legalen Drogen Alkohol und Tabak ausgehen.“ (Anm.: Diese Einschätzung der Liberalen dürfte im Bundestag und außerhalb nicht von allen geteilt werden.).

Der Antrag wurde bisher noch nicht beraten und dürfte an den Gesundheits- und Rechtsausschuss verwiesen werden.
 

Öffentliche Anhörung des Gesundheitsausschusses: Präventionsstrategie gegen die Gefahren des Alkohols

(Stand März 2021)
Mediziner und Fachverbände warnten bei einer Öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses des Deutschen Bundestages am 3. März vor den Gefahren des Alkohols und forderten eine effektive Präventionsstrategie. Die wirtschaftlichen und gesundheitlichen Schäden durch Alkoholmissbrauch seien drastisch und müssten gezielt bekämpft werden. Grundlage der Anhörung unter Leitung von Erwin Rüddel (CDU/CSU) waren Anträge der Fraktionen von FDP (19/26118) und Bündnis 90/Die Grünen (19/24386). Die Experten hatten sich im Vorfeld der Anhörung in schriftlichen Stellungnahmen geäußert und stellten sich für eine Stunde den Fragen der Abgeordneten.

Die FDP-Fraktion hatte in ihrem Antrag (19/26118) mehr Schutz für ungeborene Kinder vor Schäden durch Alkoholkonsum der Mütter gefordert. Jedes Jahr würden in Deutschland bis zu 20.000 Kinder mit Schäden geboren, die auf den Alkoholkonsum der Mütter während der Schwangerschaft zurückzuführen seien, darunter rund 2.000 mit einer schweren Form der Schädigung. Die Abgeordneten forderten ein Konzept zur Prävention des Fetal Alcohol Spektrum Disorder (FASD).

Die Grünen-Fraktion hatte sich in ihrem Antrag (19/24386) für eine Alkoholpräventionsstrategie ausgesprochen. Alkoholassoziierte Erkrankungen forderten in Deutschland jährlich etwa 74.000 Todesopfer und verursachten mehr als 50 Milliarden Euro direkte und indirekte Kosten für das Gesundheitssystem.

Die Abgeordneten forderten eine wirksamere Durchsetzung des Jugendschutzes und bessere Hilfen für suchtbelastete Familien und deren Kinder. Geprüft werden sollten auch Vorschläge unabhängiger Experten etwa zu Werbung und Sponsoring sowie zur Besteuerung und Preisgestaltung.

Bei der Anhörung spielte die Aussage „Alkoholkonsum erhöht Krebserkrankungsrisiko“ eine wichtige Rolle. Nach Angaben des Deutschen Krebsforschungszentrums (dkfz) sei Alkoholkonsum an der Entstehung von mehr als 200 Krankheiten beteiligt. Für mehrere Krebsarten erhöhe der Alkoholkonsum das Erkrankungsrisiko deutlich. Jedes Jahr erkrankten an alkoholbedingten Krebsarten fast 10.000 Menschen, rund 44.500 Patienten jährlich stürben an Krankheiten, die durch Alkohol verursacht seien.

Ein roter Faden in der Anhörung war, welche Maßnahmen, Verhaltens- oder verhältnispräventive Maßnahmen, die besten Ergebnisse erzielten. Die Verhaltensprävention setzt auf Aufklärung, die Verhältnisprävention fordert veränderte gesetzliche Rahmenbedingungen. Hierzu zählen Steuererhöhungen, Absenkung der Altersgrenzen sowie Beschränkungen von Werbung und Verfügbarkeit von Alkohol. Nahezu alle angehörten Experten sprachen sich für verhältnispräventive Maßnahmen aus! Verhaltenspräventive Maßnahmen wurden zum Teil als kontraproduktiv und alkoholwirtschaftsfreundlich bezeichnet. Einige Teilnehmer der Anhörung bezeichneten das Engagement der Wirtschaft als Ablenkungsmanöver und als unglaubwürdige Verhinderungsstrategie von effektiver staatlicher Reglementierung. Der unabhängige Experte Professor Uhl vom Institut für Psychotherapiewissenschaft wies darauf hin, dass es in der Alkoholpolitik derzeit zwei diametrale Grundpositionen gibt: Der restriktive Ansatz von Nord- und Osteuropa, der mit Steuerhöhung, Warnhinweisen und Verfügbarkeitsbeschränkungen gegen Alkoholkonsum schlechthin vorgehen will und zum anderen der liberale südeuropäische Ansatz, der zwischen Genuss und Missbrauch unterscheidet und auf Lebenskompetenz setzt. Als einzige Organisation der Wirtschaft war der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW e.V. eingeladen worden, der einer Übermacht an Regulierungsanhängern gegenüberstand.

Nähere Informationen gibt es auf der Internetseite des Deutschen Bundestages.

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