Studien zu Wein und Herzgesundheit basieren in aller Regel auf Selbstauskünften mittels Fragebögen, die jedoch fehlerhaft sein können. Der Parameter Weinsäure-Ausscheidung im Urin erlaubt nun erstmalig eine objektive und verlässliche Beurteilung des aktuellen Weinkonsums.
Weinsäure im Urin als objektives Maß für Weinkonsum
Immer wieder wird die Glaubwürdigkeit von Studien debattiert, die bei leichtem bis moderatem Weinkonsum verringerte Erkrankungs- und Sterberisiken für Herz- und Gefäßkrankheiten finden. Und obwohl die Methodiken der Studien in den letzten Jahren immer weiter verfeinert wurden, bleibt als mögliche Schwachstelle die Ermittlung des tatsächlichen Weinkonsums. Sie basiert meist auf Selbstauskünften der Studienpopulation, doch gerade beim Konsum alkoholischer Getränke besteht ein hohes Risiko für – bewusste oder unbewusste – fehlerhafte Angaben aufgrund ungenauer Erinnerung bzw. vermeintlicher „sozialer Erwünschtheit“. Das kann die Ergebnisse verzerren und erschwert die belastbare Erfassung der tatsächlichen Trinkmengen.
Weinsäure im Urin erlaubt objektiven Rückschluss auf Weinkonsum
Im Rahmen der spanischen Interventionsstudie PREDIMED konnte nun die Weinsäure-Ausscheidung im Urin als valider und objektiver Parameter für den Weinkonsum etabliert werden. Weinsäure wird in erster Linie von Weintrauben gebildet, in anderen Pflanzen kommt sie kaum vor. Weintrinker scheiden bis zu einer Woche nach dem Konsum Weinsäure mit dem Urin aus. Damit steht ein objektives Maß spezifisch für die Menge des Weinkonsums zur Verfügung, sofern der Verzehr von Weintrauben und/ oder Rosinen berücksichtigt bzw. minimiert ist. Dieser spielt in seinen Auswirkungen laut den Studien-Autoren aber ohnehin keine wichtige Rolle.
Die PREDIMED-Studie untersuchte die gesundheitlichen Effekte mediterraner Ernährungs- und Trinkmuster bei 7.447 älteren Personen mit hohem Risiko für Herz- und Gefäßerkrankungen (CVD). Da auch ein regelmäßiger moderater Weinkonsum zur mediterranen Lebensweise gehört, wurde dieser zu Studienbeginn mittels Selbstauskunft erfragt. Für die aktuelle Veröffentlichung verglichen die Wissenschaftler eine Untergruppe von 685 Personen, die innerhalb von 9 Jahren ein CVD-Ereignis hatten (konkret: Herzinfarkt, Schlaganfall und Herzschwäche) mit 547 nicht betroffenen Personen, von denen Urinproben verfügbar waren. Damit standen initial 1.232 Urinanalysen auf Weinsäure zur Verfügung. Nach einem Jahr wurden 930 Urinanalysen wiederholt (446 mit CVD-Ereignis und 484 Personen ohne Ereignis)
Leichter bis moderater Weinkonsum reduziert das Risiko für Herz- und Gefäßereignisse – vor allem Herzinfarkte bei Männern
Ein erstes Ergebnis war, dass die Weinsäure-Messungen gut mit den Selbsteinschätzungen korrelierten. Zumindest für die PREDIMED-Probanden scheint die Selbsteinschätzung des Konsums daher vertrauenswürdig. Allerdings ist die Weinsäureausscheidung stärker mit dem Ereignisrisiko assoziiert als die Selbsteinschätzung. Rechnet man die Weinsäureausscheidung in Gläser Wein pro Monat um, zeigte sich in der Gesamtkohorte, dass schon bei leichtem Weinkonsum (3 – 12 Gläser pro Monat) Herz- und Gefäßrisiko um 38% sinkt (p=0,05) beim moderaten Weinkonsum (12 – 35 Gläser pro Monat) sogar um 50% (p=0,035). Als Vergleichsgruppe dienten jene, die weniger als ein Glas Wein monatlich konsumierten. In der graphischen Darstellung zeigt sich die bekannte J-Kurve.
Bei separater Betrachtung der 353 Männer und 332 Frauen zeigt sich, dass vor allem die Männer profitieren, was bei deren höherem Ereignisrisiko auch zu erwarten war. So sinkt das Herz- und Gefäßrisiko der Männer bei leichtem Weinkonsum (3-12 Gläser pro Monat), um 59% (p=0,015) und beim moderaten Weinkonsum (12-35 Gläser pro Monat), sogar um 69% (p=0,0014), während das Risiko bei den Frauen in den entsprechenden Konsumkategorien zwar numerisch um 48 bzw. 31% niedriger erscheint, die statistische Signifikanz aber verfehlt wird.
Auch bei den Diabetikern war das Ereignisrisiko in den Kategorien „leicht und moderat“ auf weniger als die Hälfte signifikant reduziert, beim leichten Weinkonsum auch statistisch signifikant.
Einschränkend ist zwar zu sagen, dass in dieser Analyse weder die Trinkmuster noch die Trinkmengen und Zusammensetzungen anderer alkoholischer und nicht-alkoholischer Getränke berücksichtigt werden konnten. Dennoch liefert die Messung der Weinsäure-Ausscheidung erstmalig ein objektives Maß für die tatsächliche Trinkmenge, was die die Studie zum „Gamechanger“ macht.
Key-Message: Gemessen an dem objektiven und verlässlichen Parameter Weinsäureausscheidung ist geringer bis moderater Weinkonsum mit einer signifikant geringeren Rate an CVD-Ereignissen assoziiert.
Wird der Weinkonsum dagegen mittels Selbstauskunft ermittelt, ist die Assoziation wesentlich schwächer.
Quelle: Domínguez-López, I et al.: Urinary tartaric acid as a biomarker of wine consumption and cardiovascular risk: the PREDIMED trial. Eur Heart J 2025;46:161-172